Nur langsam erholte sich der Verein von den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges. Inzwischen spielte Wormatia wieder auf der Aul, die von den Heyl’schen Lederwerken kostenlos überlassen wurde. In den Lederwerken arbeiteten die meisten der Wormaten (etwa zwei Drittel der 300 Vereinsmitglieder im Jahre 1921), die damals in den Werken auch richtig unangenehme Aufgaben zu verrichten hatten: Da das Abwasser der Cornelius Heyl AG – trüb, schlammig und mit stinkenden Rückständen der Gerberei – über den Eisbach in den Rhein geleitet wurde, mussten die jungen Männer regelmäßig Abwasserkanal und Eisbach reinigen („butze“). Die Spieler wurden dafür damals von den gegnerischen Mannschaften und Zuschauern gerne mal als „Bachbutzer“ verhöhnt – ein heute noch gebräuchlicher, mittlerweile aber zumindest von den jüngeren Wormsern meist positiv gemeinter Spitzname.
Während im Juli 1919 Fusionspläne zwischen Wormatia und der Turngesellschaft Worms 1899 (heute nicht mehr existent) scheiterten, hatte die Bitte um Aufnahme bei der TG Worms dagegen Erfolg. Die TGW vermutete hinter diesem Ansinnen fehlenden Zusammenhalt innerhalb der Wormatia, die nun Halt bei den Turnern suche. Der TGW-Vorstand sprach sich für den Anschluss Wormatias aus, denn so kam man sofort an eine gute Fußballmannschaft und einen günstig gelegenen Sportplatz. Ab Dezember 1919 ging Wormatia also als selbstständige Abteilung der TG Worms unter eigener Führung und Verantwortung auf Torejagd. Doch schon einen Monat später gab es Ungemach, denn wie die Festschrift der TG Worms berichtet, statteten einige ältere Turner der neuen Abteilung mit „diesem modernen englischen Sport“ einen Besuch ab, sahen sich das Spiel gegen Pfalz Ludwigshafen an – und waren entsetzt:
„Wir erwarteten eine Veranstaltung in ähnlich feinem und vornehmen Rahmen wie bei unseren Turnfesten. Leider wurden wir und mit uns Hunderte von Zuschauern schmählich enttäuscht. […] Zwischen den Verteidigern und dem Torwächter entspann sich ein Disput, der mit allen Liebenswürdigkeiten gespickt war, wie u.a. „L…m…a.A…! Ihr könnt mir meine Ruhe lassen, Dollbohrer“ und ähnliches; Ausdrücke von einer solchen Gemeinheit und Unflätigkeit, dass sich viele Zuschauer darüber entrüsteten, andere aber wieder […] die Sache laut belachten und darüber uzten. […] Wenn der Vorstand geglaubt hat, durch Übernahme solcher Elemente unseren Verein zu kräftigen, so war das ein ganz gewaltiger Irrtum. Unser Ansehen in der Stadt, das bisher tadellos war, wird durch solch radaulustige Elemente, die jede Erziehung vermissen lassen, schwer geschädigt.“
Festschrift 150 Jahre Turngemeinde 1846 Worms
Diese und andere Klagen langjähriger TGW-Mitglieder führten dazu, dass der TGW-Vorstand im Februar 1920 beschloss, das „bisher nur lose verknüpfte Verhältnis“ baldmöglichst aufzulösen und so war Wormatia ab März wieder selbstständig.
Sportlich lief es, dem starken Pfalzkreis zugeteilt, nicht gerade rosig. Dafür wurde emsig am Sportplatz gearbeitet und man umgab die Aul an zwei Seiten mit einem Bretterzaun, damit in die klamme Vereinskasse ein paar Mark Eintrittsgelder fließen konnten. Für die Gründung einer Leichtathletikabteilung reichten die Platzverhältnisse zum damaligen Bedauern aber nicht. Zur Saison 1920/21 nahmen bereits wieder vier aktive Wormatia-Mannschaften am Spielbetrieb teil und auch die Gründung einer Jugendabteilung fällt in diesen Zeitraum. Diese Runde, nun wieder dem Hessenkreis zugeteilt, lief unter dem neuen Trainer Engelhardt (ehemals SV Waldhof) zwar deutlich besser, Platzhirsch in Worms war aber nach wie vor die Alemannia, wo die Jungs aus begütertem Elternhause spielten. Für die Pokalrunde galt das nicht. Mit einem 2:0-Sieg in Mombach holte sich Wormatia gegen den FV Biebrich erstmals den Hessenpokal und wurde bei der Rückkehr am Wormser Bahnhof begeistert gefeiert.
Die Folgesaison 1921/22 war weniger erfolgreich. Gegen „Punktelieferant“ VfR 08 Worms gelangen zwei Siege, ansonsten nur noch einer gegen Kreuznach 02 – und ein Überraschungssieg bei der bis dahin verlustpunktfreien Alemannia. Wormatia hatte zu diesem Zeitpunkt die ersten drei Spiele verloren, nun aber mit einem Tor in der 88. Minute beide Punkte entführt. Behalten durfte sie diese nicht. Weil der rechte Läufer Otto Leva, frisch von Ostova Osthofen gekommen, keine Spielberechtigung hatte, wanderten die Punkte am grünen Tisch zur Alemannia. So ging es am Ende der Saison eine Liga tiefer. Die Kreisliga Hessen war wieder eingleisig geworden und der FV Wormatia hätte Platz vier erreichen müssen, um sich zu qualifizieren. Nun musste sich der „Wormatia 08 VfL“, wie man sich vom 6. Juli bis offenbar Ende September 1922 nannte, in der zweitklassigen Befähigungsliga durchkämpfen – hauptsächlich in finanzieller Hinsicht, da die ohnehin nicht zahlreichen Wormser Zuschauer ihr Eintrittsgeld lieber bei der erstklassigen Alemannia ließen. Ein noch größeres Problem war allerdings, dass die Firma Heyl Wormatias heißgeliebte Aul räumen lassen wollte und man sich einen neuen Sportplatz suchen musste. Weil der VfR 08 Worms als Tabellenletzter sogar gleich zwei Ligen tiefer gerutscht war und einen eigenen Sportplatz am Schweißwerk besaß, kam es im Oktober zum bedeutendsten Ereignis der Vereinsgeschichte: Der Fusion zum VfR Wormatia 08.