Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 hatte weitreichende Auswirkungen auf das Leben in Deutschland, auch auf den Sport. Der bisher für den Sport zuständige „Deutsche Reichsausschuss für Leibesübungen“ wurde durch den „Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ (DRL) ersetzt, einem Einheitsbund für 43.000 Sportvereine. Das neue „Fachamt Fußball“ übernahm dabei die Aufgaben des DFB, der selbst faktisch nur noch bei der Durchführung internationaler Spiele eine Rolle spielte und 1940 aufgelöst wurde. Ab Ende 1938 war der DRL zudem durch Führererlass nicht mehr „Deutsch“ sondern „Nationalsozialistisch“ und stand als NSRL fortan vollständig unter politischer Verantwortung und Kontrolle der NSDAP.
Durch eine umfassende Reform des Spielbetriebs wurden die großen traditionsreichen Regionalverbände aufgelöst, was das Ende für die „Süddeutsche“ und all die anderen Regionalmeisterschaften bedeutete. Pläne einer reichsweiten obersten „Reichsliga“ blieben, angesichts der teils gewaltigen Entfernungen, lediglich Gedankenspielerei. Stattdessen gab es ab der Saison 1933/34 16 Fußballgaue, in denen die Gauligen als höchste Spielklasse eingerichtet wurden. Die 16 jeweiligen Gaumeister nahmen fortan direkt an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teil, ohne den Umweg über Regionalmeisterschaften. Deren Wegfall schaffte nun Platz für einen Vereins-Pokalwettbewerb nach Vorbild des englischen FA-Cups, welcher als „Tschammerpokal“ erstmals 1935 ausgespielt wurde.
Auch auf der untersten Ebene, den Vereinen selbst, gab es Veränderungen. Den Vorständen wurde im Zuge der Gleichschaltung das Führerprinzip aufdiktiert: Zukünftig sollten nicht mehr Vorsitzende, sondern „Vereinsführer“ mit alleiniger Entscheidungsgewalt den jeweiligen Verein leiten. Mitte 1933 wurden hierzu reichsweit in allen Sportvereinen Neuwahlen verordnet mit dem Vorschlag, den seitherigen Ersten Vorsitzenden zum neuen Vereinsführer zu wählen. Bei Wormatia endete dadurch Georg Völkers zehnjährige Amtszeit, Karl Steinmann folgte ihm kommissarisch. Eventuelle politische Hintergründe lassen sich hierbei zwar nicht mehr nachvollziehen, erscheinen aber zumindest unwahrscheinlich. Georg Völker trat 1933 in die NSDAP ein, ebenso wie der seitherige Zweite Vorsitzende Hans Stein, der das Amt in der Hauptversammlung vom 7. September 1933 „notgedrungen„, wie es ein Jahr später im Rückblick heißt, übernahm. Stein (nicht zu verwechseln mit dem weitläufig verwandten späteren Ehrenpräsidenten Hans Walter Stein, der wiederum seine kurze SS-Mitgliedschaft nicht leugnete) ließ sich neun Monate später in der Hauptversammlung am 16. Juni 1934 ablösen, zum neuen 1. Führer wurde einstimmig SS-Obersturmführer Jakob Ritzheimer gewählt.
Ritzheimer, Chef der Wormser SS und Stadtratsmitglied von 1933 bis 1945, betonte in seiner Antrittsrede, den Verein nach „streng nationalsozialistischem Führergrundsatz“ leiten zu wollen. Interessantes Detail: Gegen Ritzheimer wurde im Jahr 1943 ein Parteiverfahren eröffnet, weil er geschäftlich mit Juden verkehrt habe. Ritzheimer bestritt naturgemäß vehement und ließ sich bis zur Klärung der Vorwürfe vom Stadtrat beurlauben. Das Ergebnis ist nicht bekannt, an Stadtratssitzungen nahm er aber nicht mehr teil.
Um einen Eindruck von der Stimmungslage des neuen Wormatia-Vorstandes zu erhalten, sei an dieser Stelle beispielhaft eine Vereinsnachricht aus der Wormser Zeitung aus dem Oktober 1933 zitiert:
„Ein großer Dichter prägte den Ausspruch: „Der Gedanke ist zu wahr, um ewig niedergelogen zu werden“! Unseres großen Führers und Volkskanzlers Gedanke war auch nicht mehr länger niederzulügen, denn er ist wirklich zu wahr und längst zur Einlösung fällig gewesen. Daß sich die Einlösung im Jahre 1933 vollzogen hat, war bestimmt kein Zufall. Das um seine Existenz schwer ringende deutsche Volk hatte endlich den wahren Gedanken Adolf Hitlers richtig erkannt und ihm sein volles Vertrauen übertragen. Und in der Zeit, wo unser deutsches Vaterland die unvergleichliche nationale Erhebung des gesamten deutschen Volkes erleben darf, begeht der V.f.R. Wormatia von 1908 sein 25jähriges Jubiläum.“
Wormser Zeitung vom 5. Oktober 1933
Die offenkundige Begeisterung ging so weit, dass man das vereinseigene Wormatia-Stadion fortan stolz „Adolf-Hitler-Stadion“ (bzw. später „Kampfbahn“) nannte. Hitler hatte hier im Jahr zuvor bei seinem ersten und einzigen Besuch in Worms vor 30.000 Menschen eine Wahlkampfrede gehalten. Hans Stein regte gar an, dieser Rede jährlich zu gedenken.
Dem Gau XIII (Südwest) zugeteilt, gehörte Wormatia zum Kreis 8 „Nibelungen“. Dass dort alles in rechten Bahnen verlief, dafür sorgte Kreissportführer Wilhelm Adrian, von dessen Tagesgeschäft sich im Wormser Stadtarchiv einige Akten erhalten haben. Was bei deren Lektüre auffällt, ist der herrische und bisweilen schroffe Ton, in dem damals korrespondiert wurde. Hier wird auch deutlich, wie weit die Politik Einfluss auf das tägliche Vereinsgeschäft erhielt. So durften beispielsweise gewählte Vereinsvorstände nur nach politischer Zuverlässigkeitserklärung der NSDAP ihre Arbeit aufnehmen. Fand sich kein zuverlässiger Kandidat, wurde darauf gedrängt, den führerlosen Verein mit einem anderen zu fusionieren – andernfalls drohte die Auflösung. Über ihre eigenen Jubiläumsfeierlichkeiten durften die Vereine ebenfalls nicht alleine entscheiden. Der Programmablauf des Festakts musste genehmigt werden und ein Hindernis konnte hierbei schon die Gastdarbietung eines befreundeten Vereins sein, falls dieser nicht in der Meldekartei von Kreissportführer Adrian verzeichnet war. Widersetzte man sich gar einer „Einladung“, konnte es richtig ungemütlich werden. Anlässlich des Kreistages der NSDAP 1936 beispielsweise sollte Wormatia ein Spiel gegen eine Auswahlmannschaft der übrigen Wormser Vereine bestreiten, der Einladung zu einer Besprechung hierzu kamen einige Vereinsvertreter jedoch nicht nach. Adrian drohte tags darauf in einem unmissverständlichen Schreiben: „Sollte ich nicht bis morgen den 22.6. abends 19 Uhr Ihre Zusage zur Stellung einer Staffel haben werde ich Ihren Verein mit allen Abteilungen auf einige Monate sperren.“
Die enge Verbindung von Politik und Sport kam nicht von ungefähr, denn die Sportpolitik spielte bei den Nationalsozialisten eine wichtige Rolle. Sport war nun „allgemeine Volkspflicht“ und „vaterländische Aufgabe“. Für die Jugend bedeutete das auch, dass die politischen Organisationen für die „Charakterbildung“ und „staatliche Formung“ zuständig waren, während der Sport die „körperliche Seite der Erziehung“ übernehmen sollte. Der bisherige Stellenwert der Jugendabteilung der Vereine wurde daher zugunsten der Hitlerjugend ausgehöhlt, die eigene Fußballmeisterschaften austrug. Kreisführer Adrian fasste die Sportpolitik in einem Schreiben wie folgt zusammen:
„Es ist der Wunsch des Führers, daß das ganze Deutsche Volk körperlich durchgebildet werden soll und in steter Körperertüchtigung die Kraft die es im schweren Existenzkampf gebraucht zu sammeln. Nicht nur allein der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen ist hieran maßgeblich beteiligt und hat hierdurch hochwichtige volkspolitische Aufgaben zu erfüllen, sondern auch alle Formationen der Bewegung greifen tatkräftig in die Erfassung der Massen für diesen Zweck ein.“
Kreisführer Adrian „Betr. Zur Verfügungstellen eines Sportplatzes“ (StAWO, Abt. 99-1 Nr. 01)
Das Idealbild des gestählten Athleten bescherte Wormatia weitere, heute vergessene Abteilungen abseits des Fußballs. So entstand Mitte der 30er eine rasch aufblühende Boxabteilung, aus dem Lager des Arbeitersports stieß eine Artistenabteilung hinzu und die Kraftsportler (heute Kraftsportverein 05 Worms) holten teilweise sogar Meisterschaften.