Den 2:1-Triumph gegen Schalke 04 bei der Deutschen Meisterschaft im Gepäck, den umfangreichen Stadionausbau im Rücken und eine rosige Zukunft als Großverein RTSV Wormatia vor Augen, ging man mit großen Hoffnungen und verstärkt durch die Zugänge Oskar Siffling und Georg Herbold vom SV Waldhof in die Saison 1939/40. Umso peinlicher, dass es zum Saisonauftakt in der 1. Schlussrunde des Tschammerpokals als klarer Favorit ein 0:9-Debakel beim VfL 99 Köln setzte. Schon kurz darauf musste man sich aber um andere Dinge als um das sportliche Abschneiden der Wormatia Sorgen machen.
Bereits im März 1939 hatte die Wehrmacht die „Rest-Tschechei“ besetzt, worauf das Protektorat Böhmen und Mähren errichtet wurde. Propagandawirksam trugen daher bei der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft auch diejenigen Fußballer einen Reichsadler auf dem Trikot, die abseits des Platzes Soldaten der Wehrmacht waren. Bei Wormatia betraf dies z.B. Torwart Heini Schwind und Stürmer Jakob Eckert, die so dem Publikum signalisieren mussten, dass auch der Sport Volk und Vaterland diente. Im August mehrten sich dann Propagandaberichte über Unruhen an der polnischen Grenze, die Vorbereitungen auf den Polenfeldzug waren schon längst im Gange. Einige Vorbereitungspiele mussten bereits ausgefallen, weil zahlreiche Fußballer zum Wehrdienst eingezogen wurden und die Vereine keine Mannschaft mehr zusammenbekamen. So kam es, dass Wormatia auf die Soldaten Heini Schwind, Ernst Hartmann, Hannes Kern, Jakob Eckert und Walter Stahl, den Arbeitsmann Oskar Siffling und auch auf Seppel Fath, Franz Lehr und Martin Busam verzichten musste, die allesamt „eingerückt“ waren. Von der Mannschaft, die knapp vier Monate zuvor noch Schalke bezwang, waren am ersten Spieltag bei der 0:3-Niederlage in Neunkirchen nur noch Matthes Kiefer, Willi Zimmermann und Ludwig Herbert übrig. Am 1. September 1939, kurz vor dem zweiten Spieltag der Gauliga Südwest, brach durch den Einmarsch der Wehrmacht in Polen der Zweite Weltkrieg aus.
Der Spielbetrieb wurde zunächst eingestellt, nach wenigen Wochen bildeten sich jedoch lokale „Notrunden“. Die Ludwigshafener Vereine beispielsweise spielten um den „Eisernen Fußball“ und bemühten sich vergeblich um die Teilnahme Wormatias, denn im Kreis Worms wurde kurz darauf die „Nibelungenrunde“ mit anfangs acht Mannschaften ausgerufen. Zusätzlich gab es noch eine Städterunde mit den Mannschaften Mainz/Wiesbaden, Frankfurt, Offenbach, Ludwigshafen, Darmstadt und Worms/Frankenthal, letztere in wechselnder Besetzung hauptsächlich bestehend aus Wormatia und dem VfR Frankenthal. Die Nibelungenrunde, in der Wormatia lediglich drei Spiele absolvierte, wurde mit der TSG Pfeddersheim als Tabellenführer Mitte November als vorläufig abgeschlossen erklärt. Reichssportführer von Tschammer und Osten hatte die Wiederaufnahme der Meisterschaftswettbewerbe in fast allen Sportarten angekündigt und die Gauliga Südwest startete ihren nun zweigleisigen Kriegsspielbetrieb (deshalb Anfang 1940 in „Bereichsklasse“ umbenannt) mit je sieben Mannschaften am 26. November. Erst während der Saison wurde beschlossen, reichsweit mit Auf- und Abstieg zu spielen, um die Spiele „für alle Beteiligten reizvoller zu machen“. Ein Auf- oder Abstieg hatte allerdings nur für die Dauer des Krieges Bedeutung, denn für die „Wiederherstellung normaler Verhältnisse bei der Spielklasseneinteilung“ sollte nach Kriegsende die Ligenzugehörigkeit vom 15. August 1939 gelten. „Jeder Verein bleibt also Mitglied der Spielklasse, der er bei Ausbruch des Krieges angehörte“, stellte die Wormser Tageszeitung klar.
Matthes Kiefer und Seppel Fath bildeten nun regelmäßig die Fixpunkte in einer ansonsten aus teils minderjährigen Nachwuchskräften und Kriegsgastspielern bestehenden Mannschaft, deren Besetzung oft erst kurz vor Anpfiff feststand. Kriegsgastspieler waren vor Ort stationierte Soldaten, die sich mit einer entsprechenden Genehmigung am Spielbetrieb des örtlichen Vereins beteiligen durften – Vereinswechsel waren seit Kriegsausbruch untersagt. Wormatia konnte hierdurch zum Beispiel Hermann Seitz vom VfB Stuttgart, Nationalstürmer Edmund Malecki von Hannover 96 sowie dessen Vereinskollegen Paul und Erich Meng einsetzen. Im Gegenzug kamen im Laufe des Krieges auch Wormaten bei fremden Vereinen zum Einsatz, wie Oskar Siffling (Stuttgarter Kickers, FCK), Gustav Pohle (FV Metz) und Georg Herbold (Hanau 93). Torwart Erwin Kath war zwar noch nicht zum Militär eingezogen, sprang aber bei den Wormaten für Heini Schwind ein, weil sein Heimatverein Alemannia Groß-Rohrheim den Spielbetrieb eingestellt hatte. Das tat auch der FK Pirmasens, der als einziger die Gauliga-Saison nicht zu Ende spielen konnte. Wormatia wurde Fünfter, hatte in zwölf Spielen 32 verschiedene Spieler eingesetzt und je nach Besetzung sowohl Kantersiege eingefahren (8:0 gegen GfL Darmstadt) als auch derbe Klatschen eingefangen (2:9 gegen Borussia Neunkirchen).
Anfang Juni 1940 forderte der Krieg sein erstes Opfer in den Reihen Wormatias: Jakob Eckert. Fünf Wochen zuvor stand Eckert in einem Freundschaftsspiel gegen Eintracht Frankfurt zum letzten Mal auf dem Platz, nun hatte er sein Leben „in treuer Pflichterfüllung“ in Frankreich verloren. Weitere sollten ihm folgen. Die Wormser Tageszeitung informierte die Wormser Sportwelt:
„Unser einheimischer – und darüber hinaus auch der gesamte deutsche – Fußballsport hat einen schweren Verlust erlitten. Jakob Eckert, der bekannte Mittelstürmer des Reichsbahn-TSV Wormatia, ist am 5. Juni in den Kämpfen an der Somme gefallen. Ein Schreiben seines Kompanieführers an die Leitung des RTSV Wormatia brachte uns diese traurige Kunde. Mit Jakob Eckert ist der erste bekannte Wormser Sportler auf dem Felde der Ehre geblieben. 23 Jahre alt war der „Jockel“, als ihn der Schnitter Tod mähte. Im Glauben an seinen Führer und an Deutschlands Größe gab er sein junges Leben dahin, von dem wir als Sportler noch manches erleben durften.“
Wormser Tageszeitung vom 17. Juni 1940
Von der Staffel Saar-Pfalz in die Staffel Main-Hessen gewechselt, beendete Wormatia die Saison 1940/41 auf Platz vier (von acht). Platz vier (von sechs) stand auch ein Jahr später zu Buche, nach Ausgliederung der saarländischen Vereine nun in der neuen Gauliga Hessen-Nassau. Mit zunehmender Kriegsdauer wurde das Fußballspielen immer schwieriger. Trainingseinheiten gab es nicht mehr, lediglich zu den Spielen kam man zusammen und traf dann auch immer wieder mal auf Heimaturlauber. Verteidiger Ernst Hartmann beispielsweise ließ sich für Spiele so oft wie möglich vom Militärdienst befreien. Seppel Fath dagegen, obwohl in der Nähe stationiert, war nur noch selten im Wormatia-Trikot zu sehen, wie die Wormser Tageszeitung leicht beleidigt bemerkte. Mangelnde Vereinsliebe dürfte nicht der Grund gewesen sein, eher schon dürften Faths kaputte Knie eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Die Wormser Tageszeitung beschrieb das grundsätzliche Problem: „An Orten ohne größere kriegswichtige Industrie oder größeren Garnisonen stagniert der gesamte Sportbetrieb im Kriege. Diejenigen, die Träger der sportlichen Betätigung sein sollen, stehen im Felde, und so nimmt es nicht Wunder, daß die Schwierigkeiten, Kampfmannschaften aufzustellen, immer größere werden.“ Orte mit militärischer Infrastruktur dagegen hatten ständigen Zugriff auf zahlreiche soldatische Kriegsgastspieler, wodurch z.B. der sehr erfolgreiche Luftwaffen-Sportverein Hamburg entstand. „Die Leibesertüchtigung des Volkes ist kriegswichtig. Sie ist mit Nachdruck zu betreiben und zu fördern.“, lautete ein Erlass des Reichssportführers vom Februar 1943, der zeigt, warum trotz dieser Umstände auch in Worms und anderswo weiterhin Fußball gespielt wurde.
Die Saison 1942/43 begann vielversprechend, nach fünf Spielen und einem 1:0-Heimsieg vor 2.500 Zuschauern gegen Gaumeister Kickers Offenbach war Wormatia Tabellenführer. Danach jedoch mussten immer mehr Nachwuchsspieler und mehr oder weniger begabte Kriegsgastspieler eingesetzt werden, auch die altgedienten „Tempel“ Hartmann und Ludwig Müller schnürten noch einmal die Schuhe, mit „Atlant“ Kiefer senior und junior spielten sogar Vater und Sohn Seite an Seite. Aus den restlichen 13 Spielen holten die Wormaten gerade mal noch drei Punkte und verabschiedeten sich mit einem 0:10 in Offenbach als Absteiger aus der Gauliga. Mit „altem Wormatiageist“ und der erfahrenen Ü40-Läuferreihe Ludwig Müller, „Atlant“ Kiefer und „Tempel“ Hartmann (Gesamtalter 125 Jahre) schaffte Wormatia in einer Mini-Kreisklasse mit vier Mannschaften Meisterschaft und sofortigen Wiederaufstieg (sechs Siege in sechs Spielen, 50 erzielte Tore). Die Aufstiegsrunde war mit fünf Siegen in fünf Spielen und 27 erzielten Toren ebenfalls lediglich Formsache, letztendlich aber überflüssig: Da es kaum noch spielfähige Vereine gab, sollte die Saison 1944/45 in Hessen-Nassau kurzerhand in acht Gruppen mit je sechs Mannschaften ohne Rücksicht auf Ligenzugehörigkeit ausgetragen werden. Ein Spielbetrieb im Kreis Worms kam offenbar nicht mehr zustande, ein 13:2-Sieg gegen die TSG Abenheim am 13. August 1944 ist das letzte bekannte Wormatia-Spiel bis Kriegsende. Am 21. Februar 1945 wurde die Wormser Altstadt durch britische Bomber nahezu komplett zerstört, knapp drei Monate später war das Ende des Dritten Reichs besiegelt und der Krieg zu Ende.