Nach der Blamage der vergangenen Saison übernahm nun eine neue Persönlichkeit das Vereinsruder. Helmut Rödler, bislang Vorsitzender des Wirtschafts- und Verwaltungsrats, wurde Anfang August 1986 mit fünf Enthaltungen und einer Gegenstimme zum Nachfolger des zurückgetretenen Wolfgang Sitter zum 1. Vorsitzenden gewählt. In den drei Monaten zuvor hatte er den Verein bereits kommissarisch geleitet und dabei „gegen Proteststimmung und drohende Massenaustritte“ angekämpft. Für den Geschmack der Wormser Zeitung verlief die nur einstündige Mitgliederversammlung allerdings zu glatt:
„Enttäuschend war nur, wie dürftig der Bericht über die Hintergründe ausfiel, die zur Lizenzverweigerung seitens des DFB geführt hatten. Tenor: Wir haben zwar einen kleinen Fehler gemacht, aber Hauptschuldiger ist der böse, weil formalistische DFB in Frankfurt. Die Mitglieder haben’s geschluckt, ohne Rückfrage, ohne Gegenrede. […] Aber ein bißchen ehrlicher, ein bißchen offener und kritischer hätte man sich die Sache schon gewünscht. Als Außenstehender wenigstens.“
Roland Keth: Nebenbei bemerkt. Eine Spur zu glatt, in: Wormser Zeitung vom 6. August 1986, S. 7
Den DFB schien allerdings tatsächlich das schlechte Gewissen zu plagen, denn Chef Hermann Neuberger persönlich soll nach WZ-Informationen (Schatzmeister Becker: „Kein Kommentar“) auf dem kleinen Dienstweg unter Ausschluss der Öffentlichkeit dem VfR ein kleines finanzielles Trostpflaster für die entgangenen Einnahmen aus der Aufstiegsrunde verschafft haben…
Saisonziel für 1986/87 war ganz klar die Titelverteidigung. Hierzu musste der Sturm nach den Abgängen von Dieter Gutzler (zu Darmstadt 98) und Martin Simonis (aus beruflichen Gründen zurück nach Speyer) neu aufgestellt werden. Als Ersatz kam der schon zu Zweitligazeiten für Wormatia aktive Bernd „Bibi“ Nathmann zurück und von Amicitia Viernheim wurde das 20-jährige Sturmtalent Uwe Eckel verpflichtet, das wie Gutzler in der Vorsaison 18 mal einnetzen sollte. Ansonsten blieb die Meistermannschaft trotz der Enttäuschung zusammen. Die Defensive blieb das Prunkstück, die Torausbeute dagegen im Vergleich zur Konkurrenz unverändert mager, was an spielerisch oft nicht überzeugenden Auftritten lag. Trotzdem setzte man sich sofort in der Spitzengruppe zwischen Eintracht Trier und dem VfL Hamm fest. Ab dem 6. Spieltag blieb man 17 Spiele lang ungeschlagen und übernahm am 15. Spieltag die Tabellenführung.
Im Frühjahr 1987 wurden erneut die Lizenzunterlagen für die 2. Bundesliga abgegeben, diesmal „mit allergrößter Sorgfalt“, wie Schatzmeister Lothar Becker versicherte. Geplant wurde mit einem realistischen Zuschauerschnitt in Höhe von 2.800 Besuchern. Ab 2.200 Zuschauern sollten die Spieler an den Einnahmen beteiligt werden, für die ansonsten monatliche Gehälter in Höhe von 1.000 bis 1.200 Mark vorgesehen waren. Und selbst wenn nur 1.500 im Schnitt kämen, sah die Kalkulation einen Gewinn von 130.000 Mark vor, die für den Schuldenabbau genutzt werden konnte. Endlich rückte auch der Bau einer neuen Haupttribüne näher, der Stadtrat gab Anfang Februar grünes Licht und schon im Mai sollte es losgehen. Als dann Anfang April der DFB die Zweitligalizenz ohne Auflagen erteilte und man mit kleinem Punktepolster immer noch Tabellenführer war, schienen die Weichen gestellt.
Doch von den letzten neun Saisonspielen konnte die Mannschaft nur noch vier gewinnen. Die 1:2-Niederlage im Spitzenspiel beim SC Birkenfeld, als Wally Günther einen Elfmeter verschoss, war der Anfang. Drei Unentschieden ließen Eintracht Trier gleichziehen und am vorletzten Spieltag kostete eine 0:3-Niederlage in Saarwellingen endgültig die Meisterschaft. Aus Enttäuschung fanden am letzten Spieltag gegen Kreuznach nur noch 600 Zuschauer ins Wormatia-Stadion. Trainer Heiner Ueberle, ein großer Statistikfreund, war dennoch stolz auf seine Vize-Meistermannschaft, die ab der Winterpause zuhause kein Gegentor mehr kassiert hatte.
Die verpasste Meisterschaft samt Aufstiegsrunde riss ein Loch in die Vereinskasse und stellte eine Zäsur dar. Nach viereinhalb Jahren verlängerte Erfolgscoach Ueberle seinen Vertrag nicht und wurde für die Saison 1987/88 durch Gerd Menne ersetzt. Im Tor endete nach knapp 200 Spielen wie erwartet die Ära von Stephan Kuhnert, der sich Mainz 05 anschloss. Überraschender war der Abgang von Wally Günther, der nach 14 Jahren und über 450 Spielen im Wormatia-Trikot zum VfR Mannheim wechselte. Weil sich die Verpflichtung des jugoslawischen Nationalspielers Mladen Jovanovic zerschlug, hütete künftig Günter Knecht von Eintracht Bad Kreuznach das Tor und in Sachen Sturmtalente hatte man mit Aaron Biagioli vom VfR Bürstadt, der mit 21 Treffern Torschützenkönig wurde, wieder den richtigen Riecher.
Ein Platz unter den ersten Vier war das Minimalziel, innerhalb der nächsten drei Jahre sollte endlich der Aufstieg gelingen. Zur Winterpause machten zwei Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Trier Hoffnung auf mehr, doch bei der Vorbereitung auf die Rückrunde hatte Trainer Menne offensichtlich die Zügel zu sehr schleifen lassen. Weil man mit dessen bis Saisonende befristeten Arbeit ohnehin nicht zufrieden war, gab man bereits im Februar die Verpflichtung von Horst-Dieter Strich (Mainz 05) zur neuen Runde bekannt. Menne, von dieser Entscheidung überrascht, konnte der Mannschaft nicht mehr die nötigen Impulse geben und trat nach einem Leistungseinbruch mit fünf Niederlagen in sieben Spielen Mitte April 1988 zurück. Unter Interimstrainer Peter Klag wurden die letzten vier Punktspiele gewonnen, Tabellenplatz fünf erreicht und durch einen 3:0-Sieg gegen Edenkoben in Schifferstadt der Südwestpokal geholt. Immerhin also ein kleines Happy End.
Trotz einiger Abgänge ging es mit Optimismus und dem neuen Trainer Strich in die Saison 1988/89. Grund war die lange erwartete Fertigstellung der neuen Haupttribüne, die mit einem 2:0-Sieg gegen die Amateure des FCK eingeweiht wurde. Frank Schuster, als Ersatz für den nach Essen gewechselten Biagioli aus Bingen geholt, traf doppelt und erwies sich angesichts von 22 Saisontoren als Volltreffer.
Umstrukturierungen in der Vorstandsebene gab es im September 1988. Der bisherige 1. Vorsitzende Helmut Rödler erhielt das neue Amt des Präsidenten, Schatzmeister Lothar Becker durfte sich künftig „geschäftsführender Vorsitzender“ nennen und Benno Bremer übernahm das Schatzmeisteramt. Das Führungsquartett komplettierte Michael Strunk als Vorsitzender des Wirtschafts- und Verwaltungsrat. Der Schuldenstand wurde mit 320.000 Mark angegeben, was durch rückläufige Zuschauerzahlen (Fehlbetrag 40.000 Mark), Dauerkartenverlust durch Abriss der alten (20.000 Mark) und Zuschuss zur neuen Tribüne (60.000 Mark) bedingt war. Das Ziel, in drei Jahren aufzusteigen, bekräftigte Rödler noch einmal: „Wir können uns keine Fußball-Mannschaft zu Billigstpreisen leisten, die in der Tabelle unten rumkrebst. Denn dann laufen uns die Zuschauer in Scharen weg.“
Die Diskrepanz zwischen finanzieller Lage und sportlichen Zielen führte allerdings zum Krach mit Trainer Strich. Dieser forderte bereits im Herbst Vertragsverlängerungen sowie vier Verstärkungen für die kommende Saison, um wie geplant oben angreifen zu können. Das ging dem Vorstand zu schnell, man fühlte sich erpresst und wollte am eher vorsichtigen Finanzkurs festhalten. Nach einer Aussprache wurde Strichs Vertrag im Dezember verlängert, denn sportlich gab es wenig zu Meckern. Zuhause ungeschlagen und mit zwei Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Edenkoben ging es in die Winterpause. Um zusätzliche Gelder zu akquirieren, wurde nach Mainzer Vorbild ein VIP-Club gegründet, dem sich umgehend 15 Gönner für einen Beitrag von 1.008 Mark anschlossen.
Als Reaktion auf zahlreiche Verletzte fädelte Präsident Rödler einen besonderen Transfercoup ein: Ex-Nationalspieler Rüdiger Abramczik schnürte ab März 1989 die Fußballschuhe für den VfR. Der 33-Jährige sollte für Rödlers Arzneimittelfirma werben und ließ sich für sein Engagement bis Saisonende auch schon mal den Kofferraum mit Rödlers Sportlersalben vollpacken. Der Neuzugang traf auch gleich im Top-Spiel zwischen Wormatia als Tabellenzweiten und dem ungeschlagenen Spitzenreiter Edenkoben, konnte vor 5.000 Zuschauern die 1:2-Niederlage gegen den „kommenden Meister“ (WZ) aber auch nicht verhindern.
Anfang April 1989 war die Amtszeit von Horst-Dieter Strich abrupt beendet. Allerdings nicht aus sportlichen Gründen. Vor dem Montagstraining hatte Christian Waas vor versammelter Mannschaft in der Kabine mit offenen Worten seinen Rücktritt aus dem Oberliga-Kader erklärt – worauf der Trainer dem Nachwuchsstürmer nach immer heftigerem Disput (Strich: „Ein Reflex“) ins Gesicht schlug. Zwei Tage später wurde Strich nach Rücksprache mit der Mannschaft fristlos entlassen und erneut führte Peter Klag als Interims-Coach die Saison auf Tabellenplatz drei zu Ende.