Mannheimer Morgen: Wormatia-Elf stürzt Reichenberger
16.10.2004FUSSBALL-OBERLIGA: Vize Hahn: "Das Tischtuch war zerschnitten" / Stürmer Ertl übernimmt |
Von unserem Mitarbeiter Sebastian Elvers |
Er ist bekanntlich das schwächste Glied in der Kette eines Fußballvereins: der Trainer. Und von diesem hat sich Oberligist VfR Wormatia Worms jetzt getrennt. Damit endet nach nur viereinhalb Monaten die Amtszeit von Coach Max Reichenberger, der mit immensen Vorschusslorbeeren versehen wurde und nach eigenen Angaben mit einer Mannschaft in die Regionalliga aufsteigen wollte, die dort auch die Klasse halten kann. Nach zwölf Spieltagen und nur 14 Zählern steckt Worms allerdings im Abstiegskampf. Die Mannschaft, die letztes Jahr noch Dritter wurde, gleicht einem Trümmerhaufen. Und von den Aktiven ging deshalb auch der Impuls zur Trennung aus. Die sportliche Verantwortung trägt bis auf weiteres Stürmer Stefan Ertl, dem Co-Trainer Norbert Hess assistiert. "Eher müssen die Spieler gehen. Den Trainer zu entlassen, wäre Schwachsinn" – so äußerte sich noch vor 14 Tagen VfR-Vize Andreas Hahn gegenüber dem "Südhessen Morgen", "wir lassen den Trainer in Ruhe arbeiten." Doch bereits damals deutete sich an, dass es zwischen dem sportlichen Leiter und der Mannschaft merkliche Spannungen gab. In Gesprächen merkte man einigen Spielern an, wie sie sich auf die unbefriedigende sportliche Situation angesprochen selbst zensierten. Hinter vorgehaltener Hand fielen dann deutlichere Worte. Um diese Gräben zwischen Team und Trainer wusste auch der Vorstand. Diese Woche liefen etliche Gespräche, in denen versucht wurde, das Verhältnis zu retten – doch ohne Erfolg. Hahn: "Das Tischtuch war zerschnitten." Als die Aussichtslosigkeit des Unterfangens offenbar wurde, bat VfR-Vorsitzender Fritz Bergemann-Gorski Reichenberger um ein Treffen. Im neben dem Vereinsgelände gelegenen Fitness-Studio setzten sich beide zum Vier-Augen-Gespräch zusammen, an dessen Ende die Trennung stand. Ein für die Vereinsführung bedauerlicher Vorgang, denn nicht nur in diesen Momenten, sondern auch in der Zeit davor habe sich Reichenberger "sehr honorig verhalten", wie VfR-Pressesprecher Gerd Obenauer bilanziert: "Das ist das Tragische daran." Auch was das Finanzielle betrifft, sei Reichenberger – immerhin mit einem Zweijahresvertrag versehen – der Wormatia weit entgegengekommen. Umsonst kam der Verein aus dieser Nummer zwar nicht heraus, doch "es wurde eine Lösung gefunden, die wir tragen können. Es tut uns richtig leid, denn wir haben zu Herrn Reichenberger immer noch ein gutes Verhältnis", so Hahn. Doch angesichts des geballten Unmuts der Mannschaft sah der Verein keinen anderen Ausweg, denn: Die große Mehrheit des Teams wendete sich schließlich gegen Max Reichenberger. Es ist im übrigen nicht das erste Mal, dass die Mannschaft bzw. Teile von ihr derartig in Erscheinung trat. Bereits an der Trennung von Reichenbergers Vorgänger Dirk Anders hatten einige Spieler keinen unerheblichen Anteil, wenn auch nicht den alleinigen. Damals wie heute "hörten wir in die Mannschaft hinein", so VfR-Vize Hahn. Was man dort wahrnahm, drang zwar nicht an die Öffentlichkeit, doch die Folgen sind bekannt. Für Reichenberger selbst kam das Aus bei der Wormatia nicht sonderlich überraschend. "Die Entwicklung war ja für beide Seiten nicht befriedigend." Im sportlichen Bereich sei der Fortschritt "gleich Null" gewesen, die jüngsten Ereignisse daher vorprogrammiert. "Es macht mir auch keinen Spaß, etwas hochzuhalten, was keinen Sinn mehr macht." Die Gründe für sein Scheitern beschreibt der Ex-Profi mit der Struktur der Mannschaft. Man könne das Wort Struktur auch durch Charakter ersetzen, so Reichenberger. "Wenn man sieht, dass die Spieler nach dem Kreuznach-Spiel (0:4, Anm. d. Red.) herumlaufen und alles auf den Trainer abwälzen, dann ist das eindeutig." Es habe schlicht die Fähigkeit zur Selbstkritik gefehlt. "Vor allem bei den so genannten Führungsspielern." Enttäuscht von seinen ehemaligen Schützlingen sei er in menschlicher Hinsicht aber nicht. "Das wäre der Fall, wenn man lange zusammengearbeitet und sich bestimmte Verbindungen aufgebaut hätten." So aber bleibt das Intermezzo in Worms, angesichts der erhofften hohe Ziele, zumindest nur fußballerisch eine kleine Enttäuschung für Reichenberger, der momentan keine weiteren Pläne verfolgt. © Südhessen Morgen – 16.10.2004 |