Nibelungen Kurier: Unliebsame Überraschung nach Spielende

26.09.2006

Jochen Schneider legt Amt als Wormatia-Vorsitzender nieder / Hauptsponsor EWR stellt wirtschaftliche Zukunft des Vereins in Frage


Im April diesen Jahres erst als Nachfolger des aus persönlichen Gründen zurückgetretenen Fritz Bergemann-Gorski zum 1. Vorsitzenden des VfR Wormatia Worms gewählt, gab Jochen Schneider in kleiner Runde nach dem 4:0-Sieg am letzten Freitag gegen Eintracht Kreuznach seinen sofortigen Rücktritt bekannt. Nach eigener Aussage habe er diesen Schritt bereits einen Tag zuvor beim Wormser Amtsgericht offiziell vollzogen und am Spieltag gegenüber seinen Vorstandskollegen Jürgen von Massow und Jan Donner kund getan. Um gegenüber der Mannschaft keinen unnötigen Druck vor dem Rhein-Nahe-Derby aufzubauen, habe er die Öffentlichkeit erst nach dem Spiel in Kenntnis gesetzt. „Unüberbrückbare Differenzen mit dem Vorsitzenden des Wirtschafts- und Verwaltungsrats“, so Schneider, hätten ihn schweren Herzens zu diesem Schritt veranlasst. Auslöser sei eine E-Mail (liegt dem Nibelungen Kurier vor) von Helmutz Antz an den Wormatia-Vorstand gewesen, deren Inhalt ihn persönlich enttäuscht habe. „Ich bin seit unzähligen Jahren mit Leib und Seele Wormatianer“, erklärte Schneider, der in seiner Position als Eichbaum-Verkaufsdirektor selbst in verantwortlicher Position tätig sei, und deshalb eine solche Form des Umgangs nicht hinnehmen könne. In der Mail hatte Helmut Antz die wenig zufriedenstellende sportliche Entwicklung der Oberliga-Mann-schaft moniert und den Vorstand zum Handeln aufgefordert. Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Verwaltunsgsrates, Helmut Antz, bedauerte den Schritt Schneiders, den er als Mensch wie auch wegen seines hohen persönlichen Einsatzes für Wormatia sehr hoch schätze, doch er könne ihn nicht nachvollziehen. Wormatia sei als Wirtschaftsunternehmen zu betrachten, so Antz am Sonntag gegenüber dem Nibelungen Kurier. Wenn die Mannschaft auf dem besten Wege sei das Stadion leer zu spielen, sei es an der Zeit, allen deutlich die wirtschaftlichen Folgen aufzuzeigen. Kalkuliert habe man vor Saisonbeginn mit einem Schnitt von 700 Besuchern, warnte Antz, dass der Verein einem finanziellen Fiasko entgegenlaufe, wenn die teure Oberligatruppe von dem, was sie den Verein an finanziellen Einbrüchen beschert habe, verschont bleibe. So sollen die Zuwendungen seitens EWR für die Monate September und Oktober insoweit eingefroren werden, dass in diesem Zeitraum nur 50 Prozent der Grundgehälter gezahlt werden. Gleiches gelte auch für die beiden Trainer der 1. Mannschaft. „Die Spieler haben rechtsgültige Arbeitsverträge, die man nicht nach Belieben ändern kann. Da fehlt meiner Auffassung nach auch die rechtliche Grundlage“, wie Jochen Schneider mitteilte. Zudem hätte man drei Tage vor Erhalt der Mail mit allen Vorstandsmitgliedern und dem Wirtschafts- und Verwaltungsrat einmütig beschlossen, trotz der sportlichen Misserfolge bis zur Winterpause den Status quo beizubehalten und dem Trainer den Rücken zu stärken. Dann könne man in Ruhe die Weichen für das wichtige Jahr 2007 stellen. Die Forderungen per elektronischer Datenpost wertete Schneider daher als Eingriff in das sportliche Geschehen der Oberligamannschaft. Für das verbliebene Vorstandsduo, Jürgen von Massow und Jan Donner, heißt es jetzt nach vorne zu schauen und schnell wieder zum Tagesgeschäft überzugehen. „Wir wollen den Weg in die richtige Richtung fort-führen“, hofft Jürgen von Massow, dass bald wieder Normalität einkehrt. Eine Medaille hat zwei Seiten „Es ist erstmals seit 2002 der Fall, dass sich der Hauptsponsor in dieser Art und Weise einmischt”, betonte Antz, der in der vergangenen Woche in Urlaub weilte. Als Vorsitzender des Wirtschafts- und Verwaltungsrates, wie auch als Mitverantwortlicher der EWR AG und als Mitglied seit jüngsten Jahren beim VfR Wormatia, habe er das Recht und sogar die Verpflichtung, auf die wirtschaftliche Zukunft beim VfR Wormatia Worms hinzuweisen. Der Verein bestehe nicht nur aus der Oberligamannschaft und könne es sich nicht leisten mühsam aufgebaute Strukturen, vor allem im Jugendbereich, zu vernachlässigen. Das Unternehmen EWR AG sei mit der Leistung und Entwicklung des Oberligakaders in der Saison 2006/2207 so unzufrieden wie noch nie. Man könne sogar sagen, dass man in den letzten drei Jahren nahezu auf der Stelle getreten sei. „Solange meine Person beim VfR Wormatia Verantwortung trägt, wird nicht das Schicksal des Gesamtvereins der Oberligatruppe geopfert“, spricht Helmut Antz Klartext. Seine Mail an den Vorstand sei zudem eher als Steilvorlage zum Handeln gedacht, was nicht zuletzt in Jochen Schneiders Aufgabenbereich fallen würde. Da die EWR AG Mittel der Öffentlichkeitsarbeit ständig auf deren Sinnhaftigkeit überprüfen müsse und Quervergleiche zu anderen Engagements ziehe, sei der Entschluss gefasst worden, die Zuwendungen zu reduzieren. Dann werde sich im Kader auch schnell die Spreu vom Weizen trennen, hofft Antz auch Kosten für die nächste Saison sparen zu können. Das Sponsoring der EWR AG für den VfR Wormatia gegenüber dem Gesamtverein werde indes nicht in Frage gestellt, unterstrich Helmutz Antz, dass eine entsprechende Leistung Basis für eine Entlohnung sein müsse. Fazit: Über den Stil der E-Mail, die eigentlich als Arbeitspapier und Grundlage für die nächste Sitzung gedacht war, und die Empfindlichkeit des davon betroffenen Personenkreises lässt sich sicherlich diskutieren. Eine Aussprache vor dem Rücktritt wäre wohl nicht das Falscheste gewesen. Jochen Schneider sah sich in seinen Amtshandlungen als Vorsitzender in Abhängigkeit vom Hauptsponsor. Allerdings muss man auch überdenken, wie wertvoll die Partnerschaft mit dem EWR für den Traditionsverein ist. Wo stünde der Verein ohne EWR heute? Der Rücktritt von Jochen Schneider ist aufgrund seiner Stellung in leitender Position menschlich nachvollziehbar, erfolgt aber zu einem Zeitpunkt, an dem es sich der VfR Wormatia Worms eigentlich nicht leisten kann, einen so engagierten und einsatzfreudigen Vorsitzenden wie Jochen Schneider zu verlieren. Wer den momentanen Zustand, der viele Neider und Spötter feixen lässt und dem Image des Vereins schadet, verursacht hat, klärt ein Blick auf die Tabelle der Oberliga Südwest. Das ist nicht als Druck auf die Mannschaft zu verstehen, das ist die Wahrheit, die eigentlich alle Beteiligten mehr zu positivem Handeln ermuntern sollte. Was Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur betrifft, hat man jüngst geradezu Beispielhaftes geleistet (Jugendrasenplatz, Kunstrasenplatz, ein neuer Jugendraum). Umso bedauerlicher, dass sich jetzt auf Vorstandsebene erneut das Personal-Karussell dreht.