Kicker Sportmagazin: Die vertagte Entscheidung – Beide Führer geschlagen

08.02.1938

Alle Propheten wußten es, alle Stammtische posaunten es, der jüngste Knabe der letzten Schülermannschaft stellte es fest: an diesem Sonntag fällt in Südwest die Entscheidung. Sie ist nicht gefallen, um es schlicht und einfach zu sagen. Beide Rivalen wurden geschlagen. Borussia verlor am Bornheimer Hang, die Eintracht brachte aus Worms eine der Niederlagen heim, die dort für sie traditionell geworden sind. Die Offenbacher Kickers holten in Wiesbaden nur ein 0:0, in Pirmasens aber besiegte der FC. im pfälzischen Derby die Kaiserslauterer 2:1. Der Sonntag hat die Lage also nicht nur keineswegs geklärt, er hat sie reichlich verwirrt, vor allem auch am Ende der Tabelle. Wer Rüsselsheim beim Abstieg begleitet, weiß man nicht: Kaiserslautern, Pirmasens, FV. Saarbrücken, oder, diese aber als letzte Kandidaten: Sportverein Wiesbaden und Fußballsportverein Frankfurt.

Der Schlüssel zur Meisterschaft schien in Worms zu liegen. Die Eintracht wollte ihn holen. Der Schlüssel aber steht im Wormser Wappenbild, die Wormatia gedachte nicht, ihn sich abnehmen zu lassen. Man konnte selber kein Meister mehr werden, man hatte in Offenbach 2:7 verloren und das Vorspiel bei der Eintracht 0:4, aber das waren nur drei Gründe mehr, gerade die Eintracht zu schlagen. Der stärkste Gegner sollte die Waffen der alten Wormatia am klarsten spüren: Wille, Kampfkraft, Siegeslust. Worms hatte seinen großen Fußballtag. 7000 Zuschauer. 1500 Frankfurter dabei. Fieber, Aufregung, Debatten. Fünfundzwanzig Minuten gab es ein betörend schönes Eintrachtspiel zu sehen Kunststücke, hurtige Kombinationen, feine Schüsse von Röll und Adam Schmitt. Dann lief das erste Zittern durch die Mannschaft des Gegners. Die glänzende Abwehr der Wormatia, von Kiefer organisert, hatte die eherne Klammer des Eintrachtringes gesprengt. Wormatia griff an. Die ersten, gefährlichen Angriffe tasteten vor. Eckert verwandelte einen Eckball. Noch wankte die Eintracht nicht ernst, noch stand sie und spielte. Aber als eine kleine Weile nach der Pause Busam das zweite Tor getreten hatte, wurde Wormatia nun auch wirklich überlegen. Die Eintracht schien moralisch ermüdet. Es sollte nicht sein. Das einzige Pflaster für die Heimkehrenden in Sonderzug, Omnibussen und Privatwagen war eine Nachricht die beruhigend aus Frankfurt hertelephoniert worden war: der Fußballsportverein hatte den Hauptrivalen Borussia Neunkirchen 3:1 geschlagen.

Die Eintracht liegt de facto noch zwei Punkte vor Borussia. Sie dürfte also in Neunkirchen geschlagen werden, und wäre dann, falls diese Niederlage niedrig ausfällt, immer noch Meister, weil sie das bessere Torverhältnis hat. Wieviel kann aber noch dazwischen kommen, wie bedenklich wäre es, heute schon zu kalkulieren! Denn Eintracht muß ja auch noch zum FV. Saarbrücken! Das Spiel der Zahlen geht weiter.