Homepage TSG 1899 Hoffenheim II: U23: In Worms zur Normalität
08.03.2012Normalerweise wäre es bereits am vergangenen Wochenende mit einem Heimspiel gegen den FC Memmingen wieder losgegangen. Allerdings hätte Kramer zu diesem Zeitpunkt kaum acht Mann auf den Platz bekommen. Rückblick: Am letzten Tag des Trainingslagers in Namibia verunglückte der Reisebus auf dem Weg zum Flughafen, dabei zogen sich alle Spieler und das Funktionsteam Prellungen und Schnittwunden, vereinzelt auch schwere Brüche zu. Noch immer sind nicht alle Mann in den Trainingsbetrieb zurückgekehrt, geschweige denn spielfähig. Aus diesem Grund musste die Partie in Worms auch um einen Tag nach hinten gelegt werden, um die acht einsatzbereiten Jungs mit Spielern aus dem erweiterten Profi-Kader sowie aus der U19 verstärken zu können. Die Profis treten bekanntlich am Samstag in München an, die A-Junioren empfangen ebenfalls am Samstag den Karlsruher SC zum Derby im Dietmar-Hopp-Stadion.
„Der Unfall ist jetzt drei Wochen her“, sagt Kramer. „Und es ist eigentlich sensationell, dass wir überhaupt wieder sieben Mann auf den Rasen kriegen.“ Direkt nach der Rückkehr nach Deutschland hatte der Coach seinen Jungs ein paar Tage frei gegeben, um die Köpfe frei zu bekommen, doch anschließend recht zügig mit der Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs begonnen. „Das war sicherlich meine bisher schwierigste Zeit als Trainer“, blickt Kramer auf die ersten Tage zurück, als er die Spieler nach und nach und auf verschiedene Weise wieder integrieren musste. Einige Jungs trainierten zunächst bei der A-Jugend mit, andere mussten sich neben der regelmäßigen ärztlichen Kontrolle auf den Kraftraum beschränken. Im Eingangsbereich des U23-Gebäudes hängen am Schwarzen Brett Karten mit Genesungswünschen, die die SpVgg Greuther Fürth und die Stuttgarter Kickers in den Kraichgau geschickt haben – eine nette Geste.
„Sicherlich werden wir in Worms nicht den Fitnesszustand haben, den wir hätten, wenn alles normal gelaufen wäre“, so Kramer. „Aber wir müssen einfach festhalten, dass wir einen Riesendusel hatten und dass die schnelle Wiederaufnahme des Alltagbetriebs ein wichtiger Schritt im Verarbeitungsprozess war.“ Auf jeden Fall werden Ahmed Sassi, Manuel Gulde, Andreas Ludwig, Daniel Lück, Philipp Klingmann, Denis Thomalla und Florian Ruck noch nicht zur Verfügung stehen, hinter Robin Neupert steht noch ein dickes Fragezeichen. Auch Tabe Nyenty wird fehlen, doch rührt seine Verletzung nicht vom Unfall her.
Teil der Siegprämie geht an die Suppenküche
„Ich freue mich, dass es endlich wieder losgeht“, sagt auch Kapitän Kai Herdling, der beim Unfall eine Platzwunde am Kopf sowie eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. „Es war sehr wichtig, dass wir uns schnell wieder im Trainingszentrum getroffen haben und so gut es ging zur Normalität zurückgekehrt sind. Außerdem hat uns das Ganze ein stückweit zusammengeschweißt“, so der 27-Jährige. „Wir fahren jetzt sicherlich nicht nach Worms, um zu verlieren oder Unentschieden zu spielen, aber wir haben keine konkreten Ziele wie einen bestimmten Tabellenplatz. Wir wollen einfach nur wieder Fußball spielen.“
Kramer zog alles in allem eine positive Bilanz des zehntägigen Trainingslagers in Namibia. „Wir haben sportlich super gearbeitet und im sozialen Bereich einige Sachen unternommen, die mit Sicherheit sehr persönlichkeitsbildend waren.“ Eine Aussage, die Herdling glatt unterschrieb. „Wir haben viel fürs Leben mitgenommen. Der Unfall hat uns zusätzlich geprägt, uns wurde eindrucksvoll vor Augen geführt, dass ein paar Sekunden ein ganzes Leben verändern können. Wir wissen jetzt einfach Vieles mehr zu schätzen und freuen uns, jeden Tag trainieren zu können – und wenn die Einheiten noch so hart sind.“
Schon in Namibia spendete der U23-Tross Geld für die „Suppenküche“, eine Einrichtung im Windhoeker Wellblechviertel Katatura, die rund 400 Kinder – darunter auch viele Waisen – einmal am Tag mit einer warmen Mahlzeit versorgt. Jetzt haben sich Herdling und Co. entschlossen, zusätzlich einen Teil ihrer Siegprämie monatlich zu spenden. „Wir haben Dinge gesehen, die man wenn überhaupt nur aus dem Fernseher kennt. Wir sind überzeugt, dass das der richtige Schritt ist, um den Kindern dort zu helfen.“ Eine Idee, die auch Kramer und das Funktionsteam unterstützen. „Die Erfahrungen dort haben den Spielern geholfen, ihre Situation besser einzuschätzen und zu erkennen, dass es nicht selbstverständlich ist, sein Leben selbst in die Hand nehmen zu können. Durch diese Aktion haben die Jungs einen Grund mehr, 90 Minuten richtig Gas zu geben und einen Meter mehr zu gehen.“ Am Sonntag in Worms können sie damit anfangen. Endlich.