Nibelungen Kurier: Eine Niederlage, die viele Fragen aufwirft und Diskussionen entfacht
16.09.2012
Mit einer nahezu kollektiv kraft- und saftlosen Leistung unterlagen die Wormaten im Rheinhessen-Derby gegen den FSV Mainz 05 II mit 1:4 / Hat der Abstiegskampf für den Tabellenvorletzten begonnen?
von Klaus Diehl
Nach nahezu drei Jahren Wartezeit freuten sich die Wormatiafans auf das
Derby gegen die kleinen 05er aus Mainz. Doch was ihnen von Kapitän
Sandro Rösner und seinen Mitspielern geboten wurde, verschlug ihnen
regelrecht die Sprache und lässt viele Fragen offen. Bereits in der
Halbzeitpause trugen die Fans der Vortribüne ihre Fahnen weg und nach
dem Schlusspfiff herrschte betretenes Schweigen. Da blieb den
Zuschauern buchstäblich die Spucke weg, um lauthals ihren Unmut über
die vor allen Dingen im ersten Durchgang nahezu im Kollektiv
indiskutable Leistung zum Ausdruck zu bringen. Eine Ausnahme durfte
hierbei nur Scipon Bektasi für sich in Anspruch nehmen, der Rest der
Mannschaft einschließlich Torhüter Knödler lief regelrecht neben sich
her. Kein Willen, Kampfbereitschaft und Aggressivität im Zweikampf zu
erkennen.
Man lief den Mainzern meist einen Schritt hinterher
Mit anderen Worten: Es war ein schlimmer Rückfall in längst vergessene
Zeiten vor dem Antritt von Trainer Ronny Borchers. Oder man könnte auch
sagen, es war der absolute Tiefpunkt der bisher so schwankenden
Leistungen der Saison 2012/2013. Die Spieler schienen kraft- und
saftlos und man wurde und wird den Eindruck nicht los, dass es den
Spielern an der nötigen Fitness fehlt. Ein Eindruck, der sich auch in
den Spielen zuvor schon auftat, in denen die Wormaten je länger ein
Spiel dauerte, derart meist unter Druck gerieten, was einer spielerisch
starken Mannschaft eigentlich nicht passieren sollte. Konnte man dies in
all den Spielen zuvor noch damit entschuldigen, dass – wie auch bei dem
Spiel gegen Mainz – "wichtige" Spieler krankheits- und
verletzungsbedingt nicht fit waren und nicht spielen konnten, so wäre
dies für den Auftritt der Mannschaft gegen die Mainzer U23 eine zu
billige Ausrede. Denn egal, wer aufläuft, zumal in einem Derby, da muss
mehr auf dem Platz geboten werden. Kann oder will dies die Mannschaft
nicht, so ist Gesprächs- oder sogar Handlungsbereitschaft auf allen
Ebenen angesagt. Da stehen auch das Trainer-Team und die taktische
Ausrichtung im Fokus der Untersuchungen. Denn so kann es unmöglich
weiter gehen, will man demnächst die Zuschauer nicht per Handschlag
begrüßen.
Im Trikot der "Alten Dame Wormatia" spielen zu wollen
oder zu dürfen, dafür verlangen die Fans zu recht mehr als bisher
gezeigt wurde. Das Spiel gegen Hertha BSC einmal ausgenommen, was
andererseits für die Zuschauer ein Beispiel ist, was man von dieser
Mannschaft eigentlich erwarten kann. Ebenso falsch war es von außen,
aber auch aus dem Wormatia-Umfeld, die Mannschaft vor Saisonbeginn zu
einem Mitfavoriten für ganz oben gemacht zu haben. Bei seinem einstigen
Amtsantritt fand Trainer Ronny Borchers damals auch angeschlagene und
verletzte Spieler vor und stellte hierbei die Frage in den Raum, wieso
und weshalb sind diese Spieler verletzt, was tun sie für ihre Fitness?
Siehe da, alle Rekonvaleszenten kehrten relativ schnell wieder in das
Training zurück. Was die jetzige Situation angeht, so ist den
Wormatia-Anhängern besonders der Spieler Romas Dressler, zweifellos eine
Verstärkung für die Mannschaft, so etwas wie ein Buch mit sieben
Siegeln. An dieser Stelle soll keineswegs auf Mannschaft und Trainer
eingedroschen werden, sondern rechtzeitig die Finger in die Wunden
gelegt werden, die auch im Zusammenwirken aller bisher Beteiligten noch
rechtzeitig geheilt werden können. Da kann und darf es auch keine
Ausreden mehr geben, welche Argumente da als Entschuldigung etwa noch
herangezogen werden könnten. Nicht einmal mehr mental Gründe, das sah
auch Trainer Ronny Borchers bei der Pressekonferenz auf Nachfrage so.
"Für die Mannschaft stehen jetzt schwere Zeiten bevor und ab sofort
haben wir eine vollkommen andere Ausgangslage. Ja, wir befinden uns in
einer geradezu brutalen Tabellen-Situation, da müssen wir gegensteuern
und entsprechend ab sofort hart arbeiten", so Ronny Borchers wörtlich.
Dabei
waren vor dem Anpfiff gegen die Mainzer U23,die psychologischen
Vorteile eigentlich auf Seiten der Wormaten. Denn seit dem Jahr 2005
hatten die 05er nicht mehr in Worms gewonnen und in 540 Minuten
Spielzeit kein einziges Tor erzielt. Doch diesmal dauerte es nur zwei
Minuten, als der Ball nach einem Freistoß von der rechten Seite, nahe
der Strafraumgrenze von Shawn Parker, für Wormatia-Torhüter Kevin
Knödler wohl völlig überraschend, im kurzen Eck einschlug. Nun, so etwas
kann immer passieren und man durfte gespannt sein, wie die Wormaten
reagieren würden. Mit wenigen Worten gesagt: alles, nur nicht positiv.
Da gingen die Köpfe runter und die Körpersprache war dementsprechend.
Von
Aufbäumen und entsprechend aggressiver Antwort keine Spur. Die Mainzer,
taktisch gut eingestellt und bei Bedarf mit einer Doppel-Viererkette
blitzschnell auf Offensive umschaltend, erhöhten in der 17. Minute durch
Lucas Röser, der nach einem Steilpass die völlig verunsicherte
Wormatia-Abwehr austanzte, auf 2:0. Da musste man das Schlimmste
befürchten, was auch in der 33. Minute der Fall war. Erneut war es Lucas
Röser, der damit das Familien-Duell gegen seinen etwas älteren Bruder
Martin auf Wormatiaseite eindeutig gewann, und aus allerdings
abseitsverdächtiger Position das 3:0 für die 05er erzielen konnte.
Drei
Minuten zuvor gab es die erste Wormatia-Chance als Kevin Wittke nach
einer Ecke volley abzog, der Ball aber noch von einem Mainzer Kopf vor
einem Einschlag in das Gästetor gehindert wurde. Scipon Bektasi und
Daniele Toch boten sich zwei Möglichkeiten noch vor der Pause zum
Anschlusstor. Doch insgesamt waren die Bemühungen nun
erfolgversprechender aber nicht schnell und druckvoll genug. Mit Adam
Jabiri und später noch mit der Hereinnahme von Nassim Banouas,
versuchte Wormatia-Trainer Ronny Borchers das Blatt noch wenden zu
können. Es gab auch die eine oder andere Möglichkeit und zweimal
verhinderten Mainzer Abwehrspieler für ihren bereits geschlagenen
Torhüter auf der Linie. Sicherlich Glück für die Mainzer, die sich dies
aber auch erarbeitet hatten. Und auf der Gegenseite?
Ansonsten
verteidigten die Mainzer ihren Vorsprung sehr gekonnt und auch sicher.
Immer wieder hatte die Wormatia-Defensive große Probleme, wenn es durch
die Mainzer schnell in Richtung Wormatia-Tor ging. So fiel auch in der
67. Minute das 0:4 durch den überragenden Mainzer Offensivspieler
Nejmeddin Daghfous, der im entscheidenden Moment einmal mehr den
entscheidenden Schritt schneller war. Als der unermüdlich sich bemühende
und nie aufsteckende Scipon Bektasi vier Minuten später in
aussichtsreicher Position kurz vor dem Mainzer Tor gefoult wurde,
verwandelte Tim Bauer den fälligen Strafstoß zum 1:4-Endstand. Drei
Minuten später verpasste Sandro Rösner mit einem Kopfball nur knapp das
2:4. Mehr kam eigentlich nicht mehr und am Ende Tristesse auf allen
Wormatia-Ebenen.
Als Fazit sei zu allererst die Frage erlaubt: Wo
ist Wormatias meist große Defensivstärke aus der letzten Saison
geblieben. Desweiteren, wo das entsprechend aggressive
Zweikampfverhalten, wo das schnelle Umschalten in Richtung gegnerisches
Tor und wo die mannschaftliche Geschlossenheit. Viele Baustellen auf
einmal.
Es spielten: Kevin Knödler, Benjamin Himmel, Sandro
Rösner, Marco Steil, Artur Krettek, Marcel Abele, Kevin Wittke (46. Adam
Jabiri), Martin Röser, Daniel Toch (58. Nassim Banouas), Tim Bauer,
Scipon Bektasi.