wormatia.de: Mit der Pike einfach draufgehalten

21.05.2017

Vor zehn Jahren hat der VfR Wormatia den Südwestpokal zum 5. Mal nach Worms geholt. Die damalige Oberliga-Mannschaft bezwang den Regionalligisten 1. FC Kaiserslautern II vor 3.200 Zuschauern im Ludwigshafener Südwest-Stadion mit 1:0. Das „goldene“ Tor in diesem denkwürdigen Finale erzielte Matthias Gutzler neun Minuten vor Schluss. Vor dem Endspiel 2017 am 25. Mai ab 17.00 Uhr in Pirmasens gegen den SV Morlautern sprach die Wormatia-Redaktion jetzt mit dem „Helden von Ludwigshafen“.

Wormatia-Redaktion: Hallo, Matthias Gutzler. Was fällt Ihnen bei der Erinnerung an den 1. Mai 2007 heute noch ein?

Matthias Gutzler: Das war einer der wenigen Tage in meinem Leben, die ich ganz bestimmt nie vergessen werde. Bis heute ist mir vieles so präsent, als wäre es erst gestern gewesen. Schon als wir mit dem Bus vor dem Südwest-Stadion ankamen, empfingen uns zahlreiche Fans mit einer Begeisterung, als hätten wir den Pott bereits  geholt. Das setzte sich anschließend im Stadion fort. Nie und nimmer hätten wir mit so vielen Zuschauern aus Worms gerechnet. Und sie begrüßten uns mit einer Wahnsinns-Choreographie „Feuer und Flamme für den Pokal-Triumph“. Obwohl wir schon total auf das Spiel fokussiert waren, hat uns das noch einen zusätzlichen Adrenalin-Kick gegeben.

Wormatia-Redaktion: Ihr wart also schon vor dem Anpfiff bis in die Haarspitzen motiviert. Wie ist es dann anschließend auf dem Rasen gelaufen?

Matthias Gutzler: Der FCK war im Finale als klassenhöheres Team automatisch in der Favoritenrolle. Technisch waren uns die Lauterer überlegen, aber wir haben mit großem Kampfgeist dagegengehalten. Wir wussten, dass sie zuletzt in der Regionalliga nicht so erfolgreich gewesen waren und haben deshalb fest an unsere Chance geglaubt.

Wormatia-Redaktion: Ja, und dann ging diese Hoffnung in der 81. Minute tatsächlich in Erfüllung. Wie haben Sie Ihren denkwürdigen „goldenen Schuss“ zum 1:0 selbst erlebt?

Matthias Gutzler: Thomas Süß hat von rechts nach innen geflankt, ich habe mich irgendwie Richtung Ball gedreht, plötzlich eine freie Linie zum Tor gesehen und mit der Pike einfach draufgehalten. Wenn ich nur einen Moment gezögert und versucht hätte, den Ball vielleicht mit dem Außenrist ins lange Eck zu schlenzen, wäre der FCK-Keeper vermutlich noch drangekommen. So aber blieb ihm keine Zeit zu einer Abwehrreaktion.

Wormatia-Redaktion: Der „Einschlag“ im FCK-Kasten löste einen unglaublichen Freudentaumel aus, und als zehn Minuten später Schluss war, brachen alle Dämme. Wie haben Sie diese Augenblicke kurz vor und dann nach dem Abpfiff erlebt?

Matthias Gutzler: Das waren unbeschreibliche Gefühle, Glücksmomente, in denen sich die ganze Anspannung in einem Freudentaumel entlud. Wir haben den Triumph auf dem Platz mit unseren vielen Fans gefeiert, in der Kabine ging‘s dann feucht-fröhlich weiter, und zurück in Worms sind wir mit dem Dinger-Bähnchen noch durch die halbe Stadt gerollt. Die Fahrt endete schließlich am Bahnhof, wo gerade der Sonderzug mit den Fans aus Ludwigshafen angekommen war und die Jubelfeiern noch einen weiteren Höhepunkt erlebten. Ich erinnere mich, dass ich dort irgendwie mein Handy verloren habe, doch unser Betreuer Hans-Jürgen Hangen hat es gefunden und mir später zurückgebracht.

Wormatia-Redaktion: Ein paar Wochen danach folgte dann die Auslosung der 1. DFB-Hauptrunde. Wie haben Sie diesen mit Spannung erwarteten Moment erlebt?

Matthias Gutzler: Ich habe die Auslosung bei  Freunden verfolgt, und als wir Mainz 05 zugelost bekamen, habe ich einen Riesensatz quer durchs Zimmer gemacht. Das war nach Bayern München der attraktivste Gegner, den wir bekommen konnten – einfach der Wahnsinn.

Wormatia-Redaktion: Entsprechend groß war das Interesse in der ganzen Region. Leider wurden nur 12.500 Zuschauer zugelassen – man hätte sicher das Doppelte an Karten verkaufen können. Wie haben Sie diese Kulisse – zehnmal so groß wie bei einem „normalen“ Oberligaspiel – empfunden?

Matthias Gutzler: Für uns alle war das ein absolutes Highlight mit einem fantastischen Rahmen. Natürlich haben uns die vielen Zuschauer noch zusätzlich motiviert und zu einer sehr guten Leistung getrieben. Wir waren in der ersten Halbzeit das klar bessere Team und ließen den Bundesligist mit unbändigem Kampfgeist überhaupt nicht zur Entfaltung kommen. Leider war das Glück an diesem Tag nicht auf unserer Seite. Zwei Platzverweise, die man geben kann, aber nicht muss, haben uns frühzeitig geschwächt. Und dann ist den Mainzern durch einen abgefälschten Weitschuss die zu diesem Zeitpunkt mehr als glückliche Führung gelungen. Blöder hätte es nicht laufen können.

Wormatia-Redaktion: Trotz doppelter Unterzahl ist Ihnen kurz vor Pause sogar das 1:1  gelungen. Hat der Ausgleich noch mal neue Zuversicht für die zweite Hälfte geweckt?

Matthias Gutzler: Ja klar. Wir wollten noch einmal alles reinwerfen, doch der Bundesligist hat das jetzt sehr clever gemacht und die zahlenmäßige Überlegenheit konsequent genutzt. So stand am Ende eine 1:6-Klatsche – sehr bitter für uns, weil das Ergebnis unserer Leistung besonders im ersten Abschnitt nicht gerecht wurde. Unabhängig davon war das Pokalfinale in Ludwigshafen für mich das wichtigere der beiden Spiele. Es war einfach noch etwas prickelnder und emotionaler, ein absolutes fußballerisches Highlight. Vor ein paar Wochen habe ich mir das Video vom Finale 2007 mal wieder angesehen, und wieder habe ich dabei eine leichte Gänsehaut bekommen.

Wormatia-Redaktion: Nun steht der VfR Wormatia am 25. Mai wieder einmal im Südwestpokalfinale, diesmal allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Als Regionalligist ist man gegen den Oberligist Morlautern zwangsläufig Favorit. Ein Nachteil? 

Matthias Gutzler: Es wäre sicherlich ein Riesenfehler anzunehmen, der Sieg sei schon gebucht, nur weil der Gegner eine Klasse tiefer spielt. Gerade an solchen Mannschaften ist Wormatia doch in den vergangenen Jahren öfters schon im Viertel- oder Halbfinale des Pokals gescheitert. Das müsste eigentlich Warnung genug sein. Aber ich bin sicher, dass Steven Jones dafür sorgen wird, dass man den Gegner auf keinen Fall unterschätzt. Er stand ja vor zehn Jahren selbst mit auf dem Platz und wird seinen Jungs erzählen, wie man so ein Finale angehen muss. Schon als wir noch zusammen gespielt haben, hatte Steven die Fähigkeit, uns Mitspieler besonders zu motivieren und mitzureißen. Das wird er jetzt als Trainer sicher genauso, vermutlich sogar noch besser können.

Wormatia-Redaktion: Kurze Schlussfrage: Was macht der Matchwinner von 2007 am kommenden Donnerstag, den 25. Mai?

Matthias Gutzler: Er fährt mit dem Bus nach Pirmasens, setzt sich auf die Tribüne und drückt der Mannschaft ab 17 Uhr ganz fest die Daumen.

Das Gespräch führte Frank Beier