Nibelungen Kurier: Elf Jahre Regionalliga-Fußball sind vorbei
15.05.2019VfR Wormatia Worms steigt nach 1:4-Niederlage gegen Kickers Offenbach in die Oberliga ab / Letztes Regionalliga-Heimspiel ist Abziehbild einer enttäuschenden Saison
VON JÜRGEN JAAP | „Nie mehr Oberliga, nie mehr, nie mehr.“ 4.020 Freudentrunkene sind am 31. Mai 2008 wie im Rausch und verwandeln die EWR-Arena nach dem 2:1-Sieg über die Sportfreunde Köllerbach perfekt passend zum 100-jährigen Jubiläum des Vereins in ein Freudenmeer. Der VfR Wormatia Worms ist aus der Oberliga Südwest in die Regionalliga aufgestiegen. Mittendrin im Jubelsturm tummeln sich der damalige Wormatia-Trainer Bernhard Trares, der vor einigen Wochen durch einen 1:0-Heimsieg über den VfR als Cheftrainer mit SV Waldhof Mannheim den Sprung in die Dritte Bundesliga schaffte, sowie die damaligen VfR-Spieler und sportlichen Leistungsträger Steven Jones und Marcel Gebhardt. 375 Regionalliga-Spiele bestritt Wormatia seither in elf Spielzeiten zunächst in der Regionalliga West, dann der Regionalliga Süd und ab 2012/2013 in der Regionalliga Südwest. Am 11. Mai 2019 gegen 16 Uhr ist diese Ära in der vierthöchsten deutschen Spielklasse für die Wormser Fußballer Geschichte. Eine deutliche 1:4-Niederlage gegen Kickers Offenbach besiegelt den Abstieg in die Oberliga Rheinland-Pfalz / Saar. Der letzte Rettungsring ging mit einem gleichzeitigen 2:1-Sieg des rheinhessischen Lokalrivalen 1. FSV Mainz 05 II baden. Mittendrin wieder Marcel Gebhardt und Steven Jones. Beide sind seit über einem Jahrzehnt Wormaten durch und durch und seit geraumer Zeit in führenden Positionen aktiv. Gebhardt als Sportvorstand und Jones als Cheftrainer und diese Saison dazu auch lange als Sportlicher Leiter. Die Stimme von Steven Jones wirkt angefasst, als er bekennt: „Ich bin frustriert, traurig, kann keinem hier so richtig in die Augen gucken. Das tut so weh nach 18 Jahren Engagement bei diesem tollen Klub.“
Fehlende Durchschlagskraft als Hauptmanko
Weh tat den etwa 800 Anhängern des VfR auch das vergebliche Daumendrücken bei zum tristen Kick auf dem Rasen passenden eiskalten Temperaturen. „Die Partie gegen Kickers Offenbach war ein Spiegelbild der ganzen Saison“, analysiert Steven Jones. Wormatia begann so wie das Team auch mit zwei Siegen in die Spielzeit 2018/2019 startete: engagiert und durchaus mit Gelegenheiten zum Torerfolg durch Stürmer Giuseppe Burgio (8., 26.) und Spielmacher Andreas Glockner (24.). Hier allerdings wurde das große Defizit der Elf und der Hauptgrund für den Abstieg erkennbar, den Steven Jones, Marcel Gebhardt und Wormatias Vorsitzender Tim Brauer im Gleichlaut auf einen simplen Nenner brachten: „Wir schießen keine Tore, deshalb steigen wir ab.“ Vorne fehlt diese Spielzeit ein richtiger Knipser wie es einst Kapitän und Goalgetter Florian Treske war.
Zwei Nackenschläge werfen Wormaten völlig aus der Bahn
Und hinten fehlte Abwehrchef und Kapitän Jure Colak wegen einer Wadenverletzung im Spiel gegen Offenbach ganz augenfällig. Gleich bei der ersten gefährlichen Torannäherung der Kickers wackelte die diese Saison permanent bunt durchgemischte Viererkette kräftig, als Tom Scheffel gerade noch Schüsse von Ko Sawada und Maik Vetter abblocken kann (13.). Der erste Nackenschlag folgte auf den Fuß. Tevin Ihrig und Gästestürmer Varol Akgöz bleiben nach einem Zweikampf im Wormser Strafraum liegen. Schiedsrichter Fabian Schneider (Gelsdorf) pfeift Foulelfmeter – eine zumindest strittige Entscheidung. Dass Chris Keilmann den Strafstoß von Dren Hodja pariert und Sawada im Nachschuss zur Stelle ist, passt irgendwie zum Saisonverlauf. Wie auch die zweite entscheidende Szene zum ganzen Auftritt der VfR-Kicker in dieser Saison passte. Jan-Lucas Dorow senst – bereits mit Gelb wegen Meckerns vorbelastet – einen Offenbacher völlig unnötig an der Seite auf Höhe der Mittellinie um. Es blieb dem Schiri nur eine mögliche Konsequenz: die zweite Gelbe Karte und der Platzverweis für Dorow (32.). „Da gehen dann bei uns die Köpfe immer mehr runter“, musste Steven Jones einmal mehr feststellen, dass sein Team den Glauben an sich selbst schnell verlor. Kickers Offenbach ließ sich nicht zweimal bitten, markierte durch einen Konter über Niklas Hecht-Zirpel (36.) und ein Traumtor von Hodja per Schlenzer vom linken Strafraumeck in den rechten Torwinkel (41.) die Treffer zwei und drei. Die Partie war entscheiden. Einzig der Blick rüber in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt blieb als kleiner Hoffnungsschimmer im Kampf um den Klassenerhalt. Aus Wormser Sicht ein weiterer Stachel im Fleisch: Ex-Wormate Sandro Loechelt brachte die „kleinen 05er“ mit dem 1:1-Ausgleich auf die Siegerstraße. Wormatia war die Regionalliga los. Daran änderte auch der kuriose 1:3-Anschlusstreffer durch eine direkt verwandelte Ecke von Sascha Korb nichts mehr (53.), denn Offenbach spielte seine Überzahl in der Folge souverän herunter und setzte mit dem vierten Treffer durch Dennis Schulte den letzten Nadelstich ins Herz der Wormser Anhänger (79.).
Mannschaft muss Schmährufe einstecken
Die finalen Minuten des VfR in der Regionalliga im heimischen Stadion „strecken sich“ wie die vielen enttäuschenden Spiele in der richtig schlechten Phase seit dem Ende der Hinserie mühsam dahin. Der Abpfiff gleicht einer Erlösung. „Danke für Nichts!“ ist noch einer der harmloseren Schmährufe von den Rängen, die die erfolglosen Wormser Kicker hinnehmen müssen. Was von der Saison 2018/2019 jetzt übrigbleibt, ist das letzte und bedeutungslose Regionalliga-Spiel bei Mit-Absteiger VfB Stuttgart II und das Finale des Südwestpokals Ende Mai gegen den 1. FC Kaiserslautern. Doch selbst ein Sieg des Außenseiters in Pirmasens und die damit verbundene Qualifikation für den DFB-Pokal würde eines nichts ändern: Auf der sonst blütenreinen weißen Weste des „Durch-und-Durch-Wormaten“ Steven Jones ist mit dem Abstieg in die Oberliga ein dicker schwarzer Flecken entstanden.