Nibelungen Kurier: Katastrophaler Rückrundenauftakt

24.11.2019

Unter den Augen überregionaler Politikprominenz blamieren sich die Wormser gegen den Tabellenletzten in der heimischen EWR-Arena mit 3:4. Trainer Glibo ist maßlos enttäuscht.

Knapp 30 Minuten war das Spiel Wormatia Worms gegen die Sportfreunde Eisbachtal alt, der Favorit führte nach guter Vorstellung hochverdient mit 2:0 und die Gäste konnten bislang das Tor von Kevin Urban nicht ein einziges Mal annähend in Gefahr bringen.

Was war bis dato passiert? Sofort nach dem Anstoß zeigte die Wormatia, wer Herr an der Alzeyer Straße ist. Durch gutes Kombinationsspiel kamen die Gastgeber immer wieder über den rechten Flügel zu aussichtsreichen Flankenpositionen, die jedoch zu oft kläglich ausgeführt wurden. Konsequent wurde Dahlke in der Mitte gesucht, der den Ball geschickt prallen ließ oder ihn effektiv weiterleitete und somit seine Mitspieler in Position brachte. Zwangsläufig ergaben sich Chancen für die Hausherren: Dahlke bekommt den Ball gekonnt durchgesteckt, schießt aber aus guter Position im rechten Strafraum direkt auf den herauseilenden Gästetorwart (10.), Joachims dringt von halblinks in den Strafraum und scheitert mit der Pike wiederum aus kurzer Distanz an Heinz (11.), Grimmer sucht nach gefühlvollem Steilpass in die linke Strafraumseite und gutem Dribbling den Abschluss – zu schwach (13.).

Zahlreiche Ecken der Wormaten kommen entweder deutlich zu kurz, so dass sie problemlos von den Eisbachtalern aus dem Strafraum befördert werden können, oder segeln komplett durch den ganzen Strafraum ins Niemandsland auf der gegenüberliegenden Seite.

Kurioser Treffer

Trotz großem Übergewicht und Feldüberlegenheit fehlt nach knapp 20 Minuten der Eindruck, dass ein Wormate in der Lage wäre, den Führungstreffer zu erzwingen. So entwickelt sich selbiger aus einer Kuriosität heraus. Recica schlägt eine eher klägliche, kniehohe Flanke von der rechten Außenlinie in den Strafraum. Diese kullert schließlich an Mann und Maus vorbei – niemand mag sich dem Spielgerät auch nur ansatzweise nähern – in die linke Torecke. Der Torschütze schien im ersten Moment selbst nicht zu wissen, was da gerade passiert ist: 1:0 (19.).

Wormatia nun in allen Belangen überlegen, freundlich unterstützt von den vielen Freiräumen und dem alles anderem als aggressiven Zweikampfverhalten der Gäste. Durch einen schönen Doppelpass kommt Grimmer in Schussposition – vertändelt. Dann ein Kabinettstückchen der Wormaten zum mit der Zunge schnalzen: Ein blitzschnell ausgeführter Freistoß aus dem Mittelkreis findet den gestarteten Gerezgiher, der mit einem Lupfer über den herauseilenden Heinz das 2:0 erzielt (24.). So einfach und so schön kann Fußball sein.

Alles läuft auf einen Kantersieg gegen einen sichtlich überforderten Tabellenletzten heraus. Gästecoach Reifenscheidt wird später in der Pressekonferenz, das Geschehene selbst kaum fassend, sagen: “Wir hatten in den ersten 30 Minuten überhaupt keinen Zugriff, umso erstaunlicher, dass meine Mannschaft nach dem 0:2 zurückgekommen ist.“

Selbstherrlichkeit und Schlendrian?

Denn: Unerklärlicherweise stellt die Wormatia von nun an das Fußballspielen ein. Überheblichkeit? Leichtsinn? Selbstherrlichkeit? Schlendrian? Welches Adjektiv auf die Spieleinstellung der Wormaten nach dem 2:0 zutrifft wird wohl am besten Trainer Glibo nach dem Spiel wählen können.

Anstatt den Fuß auf dem Gaspedal zu lassen und ein 3:0 oder 4:0 nachzulegen, lädt die Heimmannschaft in einem Anflug von vorweihnachtlicher Sanftmut den Gast aus Nentershausen, der sich bislang als chancenloser Tabellenletzter mit stark begrenzten spielerischen Möglichkeiten präsentierte, plötzlich zum Toreschießen ein.

Einen ersten Schussversuch im linken Strafraum der Wormaten aus spitzem Winkel kann Urban noch problemlos fangen (29.), auch ein geblockter Schussversuch von Jonas Hannappel (30.) strahlte noch nicht wirklich Gefahr aus. Anders jedoch, als der wiederholt völlig allein gelassene Meuer aus zentraler Position abzieht: der Ball schlägt links unten im Toreck ein (2:1, 34.). Gleich nach Anstoß dann mal wieder ein Lebenzeichen der Wormatia: Gerezgiher stürzt von der rechten Seite in den gegnerischen Strafraum auf die rechte kurze Ecke zu, es erfolgt jedoch weder ein Abspiel noch ein Abschluss – Eckball. Danach nur noch die allerdings weiterhin weitestgehend ungefährlichen Eisbachtaler im Vorwärtsgang: Freistoß Jonas Hannappel von links, aber Urban pflückt die Kirsche sicher herunter. Fernschuss Brühl, aber weit am Tor vorbei (44.)

Führung zur Halbzeit

Dazwischen noch ein Aufreger der unschönen Art: ein Gästespieler springt mit beiden Beinen voraus in den Wormaten Recica. Offensichtlich trifft er dabei klar den Ball, nicht auszudenken jedoch, was passiert wäre, wenn nicht…

2:1 zur Halbzeit und die Heimfans, die wieder einmal vorbildlich, wie eine Wand, hinter ihrem Team stehen, sind sich sicher, dass sich die Wormatia in den nächsten 45 Minuten wieder fangen wird. So auch Gerd Obenauer – langjähriges Vorstandsmitglied bei Wormatia Worms – der kassandragleich auf die Frage: Welcher der vielen Verletzten denn der Wormatia am meisten fehlen würde antwortet: „Ganz klar, Abwehrchef Tevin Ihrig“.

In den ersten Minuten nach der Halbzeit scheinen sich die Wormaten tatsächlich wieder besonnen zu haben: nach Fehlpass der Eisbachtaler verstolpert das Heimteam das 3:1 (46.). 20 Sekunden später steht Dahlke frei vor dem Tor – aber auch knapp im Abseits. Grimmer scheitert im Folgenden freistehend in Höhe des Elfmeterpunkts am glänzend reagierenden Heinz (51.).

Und dann kommt die erste Gästeecke des Spiels. 782 Zuschauer sehen das Ergebnis des extensiven Trainings von defensivem Eckballverhalten unter der Woche. Aus fünf Metern kommt ein Gästespieler unbedrängt zentral vor dem Tor zum Kopfball, Urban kann reaktionsschnell noch abwehren und Hundhammer staubt für die Gäste wieder ganz frei vor dem Tor ab (2:2, 51.).

Fehlpässe und Querschläger

Reaktion der Wormatia? Trainer Glibo donnert verärgert seine Wasserflasche auf das Grün vor der Außenlinie. Und seine Mannschaft? Die lässt zwar die Köpfe nicht hängen, produziert jedoch einen schlimmen Fehlpass und Querschläger nach dem anderen. So auch Keeper Urban: Passgenau visiert er Gästespieler Meuer an, der sich links durch den Strafraum tankt und artig für sein Geschenk bedankt – 2:3 (54.).

In der Folge, trotz des Rückstandes weiterhin nur Eisbachtal am Drücker. Jonas Hannappel wird im letzten Moment nach starkem Laufduell im letzten Moment von Recica fair im Strafraum gestoppt (64.), der selbe Spieler zieht vom rechten Strafraumeck kurze Zeit später einfach mal ab – Latte und Duchscherer kommt nach einem erneuten Abwehrfehler wiederum aus gut 20 Metern frei zum Abschluss – Urban hält im Nachfassen (67.). Die 69. Minute: erneutes Missverständnis in der Wormatia-Abwehr, erneut freie Schussposition, erneut Duchscherer: 2:4 durch einen satten Schuss links unten ins Heimtor.

Deutliche Lücken

Zu oft legt die Wormatia den Gästen den zweiten Ball auf dem Silbertablett auf, zwischen Defensivreihe und der darauffolgenden Spielerkette sind deutliche Lücken erkennbar, was den Eindruck erweckt, dass die Wormatia ohne große Linie agiert und chaosartiges Abwehrverhalten an den Tag legt.

Nach vorne geht nämlich diese Saison fast immer etwas: feiner Angriff über 2- 3 Stationen über die rechte Seite, präzise Flanke auf den am Fünfmeterraum lauernden Dahlke, der nur noch einnicken muss: 3:4 (74.).

Einfallslose Heimelf

In den letzten Minuten der Partie beschränkt sich der Gast dann fast nur noch auf Defensivarbeit. Die Wormaten machen es dem Tabellenletzten jedoch auch nicht allzu schwierig: hohe Bälle aus der eigenen Hälfte Richtung Dahlke mit der Hoffnung, dass ein Abpraller einen Mitspieler findet, heißt die einfallslose Heimelfdevise. Im Gegensatz dazu sind die wenige Entlastungen der Eisbachtaler gefährlich (so setzt sich in der 87. Minute ein Eisbachtaler Angreifer viel zu leicht am Fünfmeterraum der Wormatia gegen einen heimischen Abwehrspieler durch und donnert den Ball gegen den Pfosten) oder führen zu einem zeitraubenden Stelldichein an der linken oder rechten Eckfahne des Wormser Tores.

Ein Pfeifkonzert auf der Tribüne beendet schließlich diese denkwürdige Partie.

Was bleibt ist eine brillante Analyse von Heimtrainer Glibo, der in seinem Worten auf der Pressekonferenz die jetzige Situation wie folgt beschreibt: „Wir sind selber Schuld“, „Wir spielen dem Gegner zu oft in die Füße“, „In vielen Situationen sind einige Spieler überfordert“, „Wir machen zu viele blöde individueller Fehler“, „ein paar Spieler können wir einfach nicht ersetzen“, „einige Spieler scheinen sich nicht mit ihrer Aufgabe zu identifizieren“, „wir hatten heute wieder drei U19-Spieler auf dem Platz“.

Maßnahmen, geschweige denn Lösungen hat der 37-jährige auf Anhieb jedoch nicht parat. Diese müssen jedoch schnell und im Verbund mit allen Beteiligten im Verein in transparenter Art und Weise gefunden werden, sollte die Wormatia doch noch ein Wörtchen im Aufstiegsrennen mitreden wollen.

Grund zur Freude immerhin bei den Gästen: mehr als 30% ihrer gesamten Punkte in der bisherigen Saison haben die Eisbachtaler allein gegen die Wormatia gesammelt.