Nibelungen Kurier: Kein Gewinner im Gipfeltreffen
11.04.2022VON JÜRGEN JAAP | „Heut’ spielen die Wormaten, heut’ ist bestimmt was los!“: So heißt es im Wormatia-Vereinslied, dass vor jedem Fußballspiel über die Lautsprecher durch die Wormser EWR-Arena schallt. Wie wahr. Als wäre der Thriller des Gipfeltreffens der Meisterrunde der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar der beiden traditionsreichen Fußball-Klubs VfR Wormatia Worms und SV Eintracht Trier im April der Saison 2021/2022 die Vorlage für den Liedtext gewesen. Intensität, Klasse, Emotionen, Spannung, Stimmung, Kulisse: Alles passte perfekt. Ein Spitzenspiel vor über 2.200 Zuschauern, das alle Erwartungen erfüllte – nein, übertraf. Am Ende trennten sich die beiden Titelaspiranten ohne Sieger 1:1 (1:1). Ohne Sieger? Nein! Beide Mannschaften hatten gesiegt. Die Fans hatten mitgelitten – und gesiegt. Der Fußball siegte. Oder wie es Wormatias Trainer Kristjan Glibo formulierte: „Dafür gehen wir alle so gerne ins Fußballstadion.“
Kristjan Glibo: „Ein gefühlter Sieg der Moral“
Und dafür jubelte Kristjan Glibo so gefühlsbetont, wie man den 40-jährigen Fußballtrainer selten zuvor in der EWR-Arena gesehen hat. Die Fäuste geballt, lauthals die emotionalen Anstrengungen der letzten zwei Stunden herausschreiend, feierte er den Schlusspfiff wohl intensiver als seinen runden Geburtstag in der Woche zuvor. „Das 1:1 fühlte sich an wie ein Sieg – ein Sieg der Moral“, sagt der VfR-Coach nachher. Eine Halbzeit musste Wormatia in Unterzahl verteidigen, eine Halbzeit ging es rasant hin und her. Keine Sekunde Leerlauf. Kein Moment, um einmal durchzuatmen. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die alle im weiten Rund sofort in den Bann zog.
Turbulenter Auftakt mit zwei schnellen Treffern
Ohne Vorwarnung ging es sofort zur Sache. Gut, das riesige Plakat mit der bestenfalls als geschmacklos zu bezeichnenden Ansage „Kill the Worms!“ hätte der Trierer Anhang im erstmals seit dreieinhalb Jahren wieder prall gefüllten Gästeblock stecken lassen können. Jubeln durften die gut 600 Trierer Fans dennoch früh. Nach der ersten Ecke im Spiel brachte Wormatia den Ball nicht weg, Robin Garnier schoss, Jean-Yves M’voto klärt vor der Linie, den Nachschuss von Simon Maurer fälschte er aber unhaltbar ab (2.). Wormatia schüttelte sich kurz, näherte sich nach Freistoß und Kopfball von Jannik Marx erstmals an. Kurz darauf zappelte das Leder zum 1:1-Ausgleich im Trierer Tornetz. Lennart Grimmer hatte einen klasse vorgetragenen Angriff mit einer Körperdrehung auf Simon Joachims verlängert, der vom rechten Strafraum abzog und links unten einschoss (13.). „Ein in der Entstehung bis zum Abschluss super Tor“, lobte Kristjan Glibo.
Aufreger im Minutentakt nebst Platzverweis für Sandro Loechelt
Weiter ging die wilde Fahrt. VfR-Keeper Ricco Cymer muss Kopf und Kragen gegen einen Schuss aus spitzem Winkel von Sven König riskieren (16.). Dominik Kinscher zielt aus 20 Metern über die Latte (19.). Rüber auf die andere Seite des Spielfeldes. Gibriel Darkaoui fehlt nach scharfer Flanke ein halber Schritt (26.). Dann kratzt Triers Keeper Denis Wieszolek im Anschluss an eine Ecke einen Kopfball von Adrian Kireski von der Linie (37.). Darkaoui setzt eine klasse getimte Grimmer-Flanke um Zentimeter am rechten Pfosten vorbei (40.). Aufreger über Aufreger in einer an hohem Tempo, Intensität und prickelnden Zweikämpfen kaum zu überbietenden Partie. Der größte Aufreger schließlich kurz vor der Pause. VfR-Kapitän Sandro Loechelt, zuvor schon von Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Alt (Illingen) wegen einer Schwalbe verwarnt, foult an der Seitenlinie in der Trierer Hälfte und muss folgerichtig mit Gelb-Rot vom Platz (44.). „Ein unnötiger Platzverweis, der Sandro selbst leidtut“, konstatiert Kristjan Glibo.
Wormatia ist in Unterzahl nah dran am Heimsieg
Und ein Platzverweis, der die Weichen in Richtung SV Eintracht Trier verschiebt? Nicht wirklich. „Der Platzverweis hat uns nicht gutgetan“, hält Eintracht-Trainer Josef Cinar fest. Kristjan Glibo zog den gerade erst von einer Corona-Erkrankung genesenen Sechser Adrian Kireski in eine Fünferkette zurück. „Wir haben mit Herzblut verteidigt“, so Glibo. Außerdem: „Wir wollten diesen Zähler für Sandro nach Hause bringen.“ Trier fand keinerlei Lösungen, blieb nach der Pause ohne echte Chance. Und Wormatia? Stürmer Daniel Kasper mit schönem Schlenzer (61.) und Innenverteidiger Jean-Yves M’voto nach Flanke von rechts setzten Akzente in Unterzahl. Die größte Gelegenheit zum 2:1 bot sich Daniel Kasper, als er eine Flanke von Luis Kiefer mit der Brust stoppt, den Ball vehement aufs Tor donnert, aber am glänzend reagierenden Denis Wieszolek scheitert (79.). Wormatia verteidigte das 1:1 kaum gefährdet weg, konnte über den Punktgewinn jubeln und verdientermaßen die Tabellenführung behalten.
Stimmen und Stimmungen zum Aufstiegsgipfel
Lennart Grimmer, (Ersatz)-Kapitän VfR Wormatia Worms: „Auf die Kapitänsbinde hätte ich heut’ gern verzichtet (nach dem frühen Platzverweis von Sandro Loechelt). Mit der Fünferkette haben wir in Hälfte zwei top gestanden. Wir haben alles gegeben, wozu auch die Fans mit einer tollen Video-Botschaft an das Team direkt vor dem Spiel gehörig beigetragen haben. Unter den Umständen mit der langen Unterzahl fühlt sich das 1:1 heute wie ein Sieg für uns an.“
Kristjan Glibo, Trainer VfR Wormatia Worms: „Das war ein richtig gutes Spitzenspiel. Dramaturgie, Stimmung, zwei klasse Mannschaften, ein fantastisches Tor von uns – da war fast alles dabei. Der unnötige Platzverweis von Sandro, dem das unglaublich leidtat, hat zusätzlich Emotionen und Kräfte freigesetzt. Wir wollten den Punkt in der zweiten Hälfte unbedingt für Sandro holen. Der Kampf um die Meisterschaft bleibt bis zum Schluss der Saison spannend.“
Josef Cinar, Trainer SV Eintracht Trier: „Ich möchte beiden Klubs ein riesiges Kompliment machen. Wir bekämpfen uns nun schon Jahre, um aus dieser Liga rauszukommen. Heute haben wir ein sehr gutes, intensives und schönes Oberliga-Spiel mit einer fantastischen Stimmung gesehen. Beide Teams hätten es verdient, nach dieser Saison endlich aufzusteigen. Die Meisterschaft wurde heute noch lange nicht entschieden.“