"Meiner Meinung nach hat die Vernachlässigung der Frage, wie eine Mannschaft als Gruppe fußballerisch, taktisch und menschlisch zusammengestellt ist, zu den Problemen beigetragen, mit denen wir uns heute beschäftigen müssen.", erläuterte Kölns sportlicher Leiter Frank Schäfer vor Saisonbeginn im Interview auf der Vereinshomepage. "Umbruch" hieß daher die Devise beim FC nach dem Abstieg aus der Bundesliga – und es blieb kein Stein auf dem anderen. Gerade mal neun Spieler sind aus dem letztjährigen Kader übrig geblieben, darunter Winterzugang Chong Tese (28) und die erfahrenen Defensivspieler Kevin McKenna (32), Christian Eichner (28) und Kapitän Miso Brecko (28). Schwer fiel der Abschied von Lukas Podolski, dessen Wechsel zum FC Arsenal aber lebenswichtige 12 Mio. Euro in die Kassen des verschuldeten Clubs spülte und die Zweitligalizenz sicherte. Von den 18 Neuzugängen (bis auf den ausgeliehenen Anthony Ujah übrigens alle deutschsprachig) kosteten daher auch nur das österreichische Abwehrtalent Kevin Wimmer (19) und Sascha Bigalke (22) Ablöse, für die ausgeliehenen Daniel Royer (22 / Hannover 96) und Tobias Strobl (22 / TSG Hoffenheim) fielen nur geringe Leihgebühren an. Neben bislang ausgeliehenen Rückkehrern und Talenten aus der Nachwuchsschmiede, wurden mit Matthias Lehmann (29), Thomas Bröker (27) und Dominic Maroh (25) noch drei weitere erfahrene Spieler verpflichtet. Für letzteren ist die EWR-Arena übrigens kein unbekanntes Pflaster. Vor einem Jahr erzielte er noch im Trikot des 1.FC Nürnberg II den Treffer zum 2:2-Endstand gegen unseren VfR. Bröker, Maroh und der ebenfalls bereits erwähnte Wimmer sind sogleich Stammspieler geworden, was auch für die kurz vor Transferschluss verpflichteten Ujah und Bigalke gilt. Bigalke war Mitte August noch mit der SpVgg Unterhaching Gegner des 1.FC Köln im DFB-Pokal und hatte sich dabei für eine Verpflichtung empfohlen. Mit einem 2:1-Sieg zog man damals in die 2. Hauptrunde ein – das einzig positive, was man über den Saisonstart schreiben kann.
Umbrüche brauchen Zeit und Geduld, das mussten auch die Fans des 1.FC Köln erfahren. Nach mickrigen zwei Punkten aus den ersten sechs Spielen schien die Luft für den neuen Trainer Holger Stanislawski bereits dünn zu werden, die unschönen Geschehnisse um den zum Sündenbock auserkorenen Kevin Pezzoni taten ihr Übriges. Zentnerweise fiel die Last von den Schultern, als Ende September mit einem 2:1 gegen den FSV Frankfurt der erste Sieg in der Liga eingefahren wurde. Daraus entwickelte sich gleich eine Serie, es folgte ein 2:1-Sieg beim SC Paderborn, ein 1:1 gegen Dynamo Dresden und ein spektakulärer 3:2-Sieg bei Jahn Regensburg, als man bis zur 87. Minute noch mit 0:2 auf der Verliererstraße war. Nicht minder spektakulär dann das 3:3 gegen den FCK am vergangenen Freitag. Die Abstiegszone konnte Köln dadurch verlassen und den Anschluss an das Tabellenmittelfeld herstellen. Die Aufstiegsränge sind zwar noch ein gutes Stück entfernt, das Erreichen des Saisonziels aber nun wieder im Bereich des Möglichen.
Es wäre die fünfte Rückkehr ins Fußballoberhaus nach einem seit 1998 andauernden Auf und Ab. Damals musste der 1.FC Köln erstmals absteigen und pendelt seitdem zwischen Erster und Zweiter Liga. Das entspricht bekanntlich nicht dem Selbstverständnis des Gründungsmitgliedes und ersten Deutschen Meisters der Bundesliga. Zwei weitere Meistertitel (1964, 1978), sieben Vize-Meisterschaften (1960, 1963, 1965, 1973, 1982, 1989, 1990) und vier DFB-Pokalsiege (1968, 1977, 1978, 1983) stehen zu Buche, zudem stand man 1986 im UEFA-Cup-Finale gegen Real Madrid. Wenig verwunderlich, dass sich Wormatia und der 1.FC Köln bisher erst ein Mal begegnet sind, 2001 in einem Freundschaftsspiel (0:7). Und zu einer Zeit, als der VfR Wormatia 08 zu den besten Mannschaften Süddeutschlands zählte und ein würdiger Gegner gewesen wäre, gab es den FC noch gar nicht. Erst 1948 wurde dieser gegründet, durch einen Zusammenschluss der beiden Vereine Kölner BC 01 und SpVgg Sülz 07. Die SpVgg Sülz wiederum war ein Mal im Jahre 1928 zu einem Freundschaftsspiel in Worms zu Gast. Vor 4.000 Zuschauern nahm Wormatia den frischgebackenen Westdeutschen Meister komplett auseinander und siegte 7:1. Nicht nur die Wormser Sportzeitung rieb sich verwundert die Augen ("Süd- und Westdeutschlands Sportwelt schüttelt den Kopf!"), denn es stand die komplette Meistermannschaft der Kölner rund um den österreichischen Nationalspieler Ferdinand Swatosch auf dem Platz. Dreifacher Torschütze damals war Wormatias Nationalstürmer Willi Winkler – und hier findet sich nun eine interessante Verbindung zwischen beiden Vereinen, denn Willis älterer Bruder Karl sollte später eine bedeutende Rolle beim 1.FC Köln spielen.
Karl Winkler schnürte wie sein Bruder die Fußballschuhe für den VfR Wormatia, wurde aber nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn als Trainer deutlich bekannter. Rot-Weiß Oberhausen führte er zu zwei Niederrheinmeisterschaften in Folge, danach Bayer Leverkusen zum Gruppensieg in der Amateurliga, Preußen Dellbrück ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft – und im Mai 1953 wurde er Trainer des 1.FC Köln. Karl Winkler blieb zwar nur ein Jahr in Köln, machte den FC aber erstmals zum Westdeutschen Meister und führte ihn ins DFB-Pokalfinale, welches mit 0:1 gegen den VfB Stuttgart, übrigens im Ludwigshafener Südweststadion, verloren ging. Das hinterließ bleibenden Eindruck, sodass noch heute nahe des Müngersdorfer Stadions ein Karl-Winkler-Weg durch den Stadtwald führt. Nach drei Jahren bei Schwarz-Weiß Essen zog er, schwer erkrankt, auf ärztlichen Rat in wärmere Gefilde und wurde Nationaltrainer Zyperns. 1959 kam er wieder zurück in seine Heimatstadt Worms und übernahm den Trainerposten bei Wormatia, starb jedoch bereits ein Jahr später. Wenn nun morgen Abend Karl Winklers Enkel auf der Vortribüne steht und Wormatia zur Pokalüberraschung gegen den 1.FC Köln anfeuert, dann schließt sich letztlich der familiäre Kreis. Eine der vielen kleinen interessanten Geschichten, die der Fußball schreibt.