Im August 2019 wurden Florian Natter und Sven Jorissen in den Vorstand gewählt. Während Florian seine Expertise als Mitarbeiter von Deutsche Bank im Bereich Finanzen einbringt und zum geschäftsführenden Vorstand gehört, kümmert sich Sven als Mitglied des erweiterten Vorstands wie schon einmal bis 2006 um das Thema Sponsoring & Marketing. Nach einem Jahr ist es an der Zeit für einen Rückblick, ein paar Worte zur aktuellen Lage und eine Einschätzung zur finanziellen Situation in Zeiten von Corona.
Florian, wie bist du deinen Aufgabebereich Finanzen letztes Jahr angegangen?
Florian Natter: Wir hatten in der Regionalliga ohne den DFB-Pokal einen Gesamtetat von ca. 1,6 Millionen, durch den Abstieg reduzierte sich dieser um 40%. Da galt es deshalb, entsprechend Kosten einzusparen. Ich war schon etwas überrascht und erleichtert, dafür eine wirklich gute Basis vorzufinden. Frieder Haas vom Wirtschafts- und Verwaltungsrat hat eine tolle Kostenaufstellung erarbeitet, es existieren Planungen für jeden Monat und jede Kostenstelle. Ich glaube das ist eher unüblich bei Fußballvereinen in dieser Klasse. Und dann muss man eben eine Kostenstelle nach der anderen durchgehen und sich jede Buchung anschauen. Dabei fällt schon mal einiges auf, was man gut streichen kann ohne die Standards zu sehr herunterzuschrauben. Dass ich von Außen komme und einen anderen Blick auf die Dinge habe, hat da natürlich geholfen. Da darf man auch möglichen Konflikten nicht aus dem Weg gehen.
Sven, wie sah es bei dir aus in Sachen Sponsoring und Marketing?
Sven Jorissen: Erst einmal musste ich mir natürlich einen Überblick verschaffen über die bestehenden Verträge und Leistungen. Dann habe ich zusammen mit unserem Marketingverantwortlichen Lukas Schader allen Sponsoren einen Besuch abgestattet und viele Gespräche geführt.
Habt Ihr in den letzten zwölf Monaten das geschafft, was Ihr erreichen wolltet?
S.J.: Nein, nicht alles. Das ist auch immer ein Zeitthema und Corona hat das nicht einfacher gemacht. Einerseits, weil potentielle Sponsoren natürlich nun zurückhaltender sein müssen, andererseits, weil ich in der Krise beruflich deutlich mehr eingespannt war. Aber ich bin wirklich sehr beeindruckt und dankbar, dass die bestehenden Sponsoren uns so grundsätzlich die Treue gehalten haben, selbst solche aus besonders gebeutelten Branchen. Da zeigt sich wie wichtig es ist, dass wir mit Lukas Schader jemanden in der Geschäftsstelle haben, der für das Thema Sponsoring immer ansprechbar ist. So konnten wir Verträge auch frühzeitig verlängern. Die Partner, die wir durch den Abstieg verloren haben, konnten wir inzwischen durch neue Sponsoren ausgleichen. Aber wir hatten uns vorgenommen, noch 3-4 zusätzliche zu gewinnen. Hier hat uns die Pandemie leider ausgebremst.
F.N.: Es war schon eine Herausforderung, die Kostenstruktur den verringerten Einnahmen anzupassen. Hier sind wir einen ganz großen Schritt vorangekommen. Finanziell sind wir solide aufgestellt, ohne Corona wären wir einen Schritt weiter. Dank unserer Spieler, Mitarbeiter, Sponsoren und Zuschauer, die zum Beispiel auf Gehalt, Rückerstattungen bei den Sponsorengeldern oder den Dauerkarten verzichtet haben, konnten wir die Akutsituation der Coronabeschränkungen meistern.
Was sind die Herausforderungen der anstehenden Saison, gerade angesichts der wohl noch einige Zeit andauernden Pandemie?
S.J.: Wir müssen einfach weiter dran und im Gespräch mit unseren Partnern bleiben. Um einen verlorenen Sponsor zu kompensieren muss man zehn neue ansprechen. Deshalb kann ich auch nur an Fans und Freunde unserer Wormatia appellieren: Denkt an unsere Sponsoren, berücksichtigt sie bei Eurem Einkauf und nehmt deren Dienstleistungen in Anspruch! Man kann dann auch ruhig mal erwähnen, dass die Unterstützung Wormatias mit ein Grund für Wahl gewesen ist – so ein direktes Feedback ist eindrücklicher als jede Marktforschung. Aktuell sind wir noch auf der Suche nach weiteren Jugendpaten, die neue App mit attraktiven Möglichkeiten steht in den Startlöchern und auch eine Mitgliederwerbeaktion steht auf dem Plan.
F.N.: Natürlich trifft Corona den Verein hart, es steckt ja auch einiges an Aufwand dahinter, die ganzen Auflagen zu berücksichtigen und umzusetzen. Es ist unklar, mit welcher Zuschauerzahl man kalkulieren kann, wie gut die Sponsoren die Lage überstehen und ob die Runde so durchgespielt werden kann, wie geplant. Es geht quasi im Blindflug durch die nächsten Monate und man kann nicht jeden Worst Case einplanen. Wir sind jedenfalls vernünftig unterwegs, machen keinen Harakiri und müssen schauen, was kommt. Je nach Entwicklung der Pandemie müssen wir im Laufe der Saison eventuell auch nochmal kräftiger bremsen. Den Etat haben wir diese Saison moderat an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst, aber angesichts der Situation sind wir gut aufgestellt. Ziel muss sein, unseren Standard zu halten, und das haben wir bisher gut hinbekommen. Eine große Herausforderung ist die Baustelle Vereinsheim, das wäre schon ohne Corona ein Kraftakt gewesen. Aktuell befinden wir uns hier immer noch in Gesprächen mit der Stadt als Eigentümerin, um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären – das ist alles nicht so einfach und die Mühlen mahlen langsam.
Florian, wie waren die letzten zwölf Monate im Vorstand für dich? Für Sven ist ein Amt bei Wormatia ja nichts Neues gewesen.
F.N.: Man unterschätzt den Zeitbedarf doch etwas, aber es macht Spaß. Und man kümmert sich plötzlich um Dinge, an die man vorher nie gedacht hätte. Zum Beispiel um die Optimierung des Putzplans des Reinigungsdienstes oder die Lokalisierung von Stromfressern in der Haupttribüne… Aber ganz besonders ist mir aufgefallen, wie viele neue Leute man auch als Alt-Wormser hier kennen lernen kann. Viele Gesichter habe ich früher schon mal gesehen, aber erst jetzt erfahren, wer eigentlich dahinter steckt und welche Bedeutung sie für den Verein haben. Da denke ich spontan an Bernd Gänshirt, der wird jetzt 80 und sogar die Mitarbeiter der Stadt rufen ihn an, weil nur er zu wissen scheint, wo im Stadion die ganzen Anschlüsse sind.
S.J.: Es gibt hier viele Ehrenamtliche, die ihr Leben auf Wormatia ausgerichtet haben. Das passiert auch viel im Hintergrund, deshalb ist einem das als Außenstehender oft gar nicht bewusst.
F.N.: Ja, und ich habe großen Respekt davor, mit welchem Aufwand sich jeder und jede Einzelne hier einbringt.