Wormser Zeitung: Haben wir Glück oder sind wir wirklich so gut?

13.12.2002
Wormatia-Kapitän Volker Berg: „Der Erfolg macht vieles leichter“ / Neues Saisonziel heißt Regionalliga Süd

Vom 13.12.2002

3:0 führt der VfR Wormatia im letzten Heimspiel des Jahres 2002 gegen den VfL Hamm, als Coach Dirk Anders den Libero auflöst. Für Goran Ognjanovic kommt Stürmer Marcus Köhler, der wenig später den 5:0-Endstand markiert. – Selbstzufriedenheit und Bescheidenheit sehen anders aus. Und sie wären auch fehl am Platze. Mit 42 Zählern überwintert der VfR Wormatia Worms sensationell auf dem ersten Platz der Oberliga Südwest.

 
Von unserem

Mitarbeiter

Sebastian Elvers

Unmittelbar nach dem tollen Heimfinale gegen Hamm wird die Zurückhaltung auch offiziell für beendet erklärt. „Wir wollen aufsteigen.“ Es ist der erste Satz, der Wormatias Vorsitzendem Fritz Bergemann-Gorski entfährt, als er nach den neuen Zielen gefragt wird. Vor einem halben Jahr wäre diese Aussage noch milde belächelt worden, doch die bisherige Runde hat gezeigt, „dass diese Mannschaft Meister werden kann“, so der Vorsitzende. Zwar sei der Titelgewinn kein Muss, aber: „Das Leben bietet nicht allzu viele Chancen. Und in Worms ist mehr möglich, als die meisten denken.“

Wie gesagt: Bescheidenheit sieht anders aus. Für Fritz Bergemann-Gorski begannen sich nach dem 1:0-Sieg bei den Amateuren von Mainz 05 die Präferenzen zu verschieben. Eigene Zielsetzung – Klassenerhalt – und tatsächliches Leistungsvermögen der VfR-Truppe begannen immer weniger deckungsgleich zu sein: „Da habe ich gemerkt, dass wir mit jedem mithalten können und keiner stärker ist als wir.“

Auch Wormatias Kapitän Volker Berg erinnert sich, an diese Zeit, als ein Umdenken und Neu-Orientieren einsetzte: „Nach den ersten Spielen standen wir in der Kabine und haben uns fragend angeschaut: Haben wir Glück oder sind wir wirklich gut?“ Diese Frage dürfte inzwischen beantwortet sein. Der Erfolg nimmt zu und mit ihm das Selbstvertrauen. „Ich musste erst Ãœberzeugungsarbeit leisten“, schaut Dirk Anders auf seine ersten Wochen als Trainer an der Alzeyer Straße zurück. Die Mühe lohnte sich, denn: „Wir sind immer selbstbewusster geworden und machen gegen jeden Gegner einfach unser Spiel“, so Volker Berg, der anfügt: „Jetzt hat jeder gemerkt, was möglich ist.“ Nämlich der Aufstieg in die Regionalliga Süd.

Momentan macht der Traditionsklub eine Metamorphose durch. Auf dem Weg zum wunderschönen Schmetterling ist das Stadium der Larve noch nicht verlassen; die Wormatia steht mit einem Bein in einer besseren Zukunft und sieht sich zugleich mit Altlasten konfrontiert. Während so viele Fans wie lange nicht mehr ins Stadion pilgern (etwas mehr als 1000 pro Partie), mussten zeitgleich die maroden Flutlichtmasten auf einem der hinteren Hartplätze wegen Einsturzgefahr umgelegt werden.

Seitdem sind die Trainingsbedingungen „eigentlich unzumutbar“ (Anders) oder „einfach grauenhaft“ (Berg), und der VfR tingelt regelmäßig von einem zur Verfügung gestellten Platz zum anderen. Doch auch dieses widrigen Umstände konnten Berg & Co nicht aus der Bahn werfen. „Der Erfolg macht vieles leichter“, weiß der Mannschaftsführer, dem viele Gründe für den so überraschenden Höhenflug einfallen: „Das ist gar nicht so leicht zu erklären. Die Kameradschaft ist da. Der Trainer ist gut. Die Stürmer treffen, die Defensive steht. Es passt einfach alles.“ Und dann verteilt der in dieser Saison groß auftrumpfende Mittelfeldakteur noch ein Sonderlob: „Es ist bewundernswert, was der Vorstand in einem halben Jahr geleistet hat. Da muss ich den Hut ziehen.“

Diese Verbeugung macht inzwischen eine ganze Region vor den „Himmelsstürmern“ aus der Nibelungenstadt. Aus gutem Grund, , weil das bisher Geleistete einfach „übermenschlich“ ist, so Volker Berg. Ob im nächsten Frühjahr der ganze große Coup glückt, weiß niemand. Doch Dirk Anders gelobt, dass „wir alles dafür tun werden“. Und vielleicht behalten ja die VfR-Fans recht, als sie beim Heimfinale gegen Hamm siegestrunken sangen: „Nie mehr Oberliga!“