Kölner Stadtanzeiger: Kollektive Arbeitsverweigerung
09.11.2008Von Michael Rahm, 09.11.08, 20:54h
In der Fußball-Regionalliga West unterliegt Bayer II der Wormatia Worms im Heimspiel mit 0:3. Das Team von Ulf Kirsten präsentiert sich wie eine Gruppe von Individualisten, nicht als Mannschaft.
Leverkusen – Bereits vor dem Anpfiff hatten die mitgereisten Fans von Wormatia Worms mächtig Spaß. So empfing ein Wormser Anhänger einen anderen in den Katakomben des Südstadions mit den Worten: „Willkommen auf dem größten Klo der Regionalliga.“ In der Tat ist die Porzellanabteilung unter dem Südstadion nicht nur extrem schmutzig, sondern wirkt auch überproportional groß, wenn nur 300 Zuschauer den Weg in die Arena finden.
Die Stimmung der Gäste-Fans sollte sich in den folgenden 90 Minuten noch verbessern. Ihrer Mannschaft gelang ein überraschender und hoch verdienter 3:0 (1:0)-Erfolg gegen Bayer Leverkusen II.
Dabei hatte Ulf Kirsten angenommen, der Tiefpunkt sei mit den Auftritten gegen den 1. FC Köln und Schalke II bereits erreicht. Seit Samstag weiß er, dass die Skala der ernüchternden Auftritte nach unten offen ist. Die Gäste, die als Tabellenvorletzter anreisten, waren mit Abstand die spielerisch schwächste Mannschaft, die bisher im Südstadion zu Gast war. Trotzdem verlor Bayer 04 mit 0:3.
Das Spiel seiner Mannschaft war für Trainer Ulf Kirsten kaum zu ertragen: „Wir sind stellenweise von einer Mannschaft vorgeführt worden, die nur dreimal vor unser Tor kam. Wir sollten nach den zwei vergangenen Siegen eigentlich viel Selbstvertrauen haben. Die Spieler verwechseln aber scheinbar Selbstvertrauen mit Überheblichkeit.“
Während vor dem ersten Gegentor Markus Happe und Kerim Arslan unkonzentriert wirkten (10.), war das 0:2 symptomatisch für den aktuellen Zustand der Kirsten-Elf. Einen Wormser Konter versuchte zunächst Stefan Reinartz zu unterbinden. Als er scheiterte, probierten Routinier Markus Happe und Keeper Fabian Giefer ihr Glück. Der Ball flog dabei in hohem Bogen in Richtung Torauslinie, was die Leverkusener dazu verleitete abzuschalten. Ein gegnerischer Angreifer nahm diese Einladung dankend an und köpfte ungehindert ein (55.). In dieser Szene verließ sich jeder Bayer-Spieler auf den anderen, und vermutlich gab jeder dem anderen die Schuld. Es wurde wieder deutlich, dass keine Mannschaft auf dem Platz stand, sondern eine Gruppe von Individualisten. Auch wenn die Unterstützung der Profis fehlt und die Situation in der Regionalliga trist und trostlos ist: Die Spieler trainieren beinahe täglich und wollen mit Fußball ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es gibt also keinen Grund die Arbeit zu verweigern.
Genau das taten die Leverkusener Spieler aber beinahe ausnahmslos. Nur bei Sevdail Selmani und Richard Sukuta-Pasu war kurz zu hoffen, dass ihnen etwas gelingen könnte. Aber auch sie passten sich später der unzureichenden Mannschaftsleistung an.
Wie man sich vorbildlich verhält, zeigte der Wormser Christian Boll, der mit einem Konter sein drittes Tor erzielte und damit den Schlusspunkt setzte (65.). In jeder Szene glaubte er an den Torerfolg und daran, dass seine Mannschaft dieses Spiel gewinnt. Kirsten hätte solch einen Akteur gerne in den eigenen Reihen gesehen. Er musste dagegen einen Spieler wie Atanas Kurdov, den er nach der Pause einwechselte, in der 64. Minute wieder rausnehmen. Offiziell weil dieser verletzt war, aber die Leistung die Kurdov zeigte, hätte die zügige Auswechslung auch gerechtfertigt.
Es folgen nun zwei Höhepunkte gegen die Top-Teams Preußen Münster und Rot-Weiß Essen. Sollten die Spieler von Bayer II nicht schnell die richtige Einstellung wiederfinden, werden die gegnerischen Anhänger sich zukünftig nicht nur über die sanitären Einrichtungen amüsieren können.
Bayer 04 Leverkusen II: Giefer, Reinartz, Happe, Arslan Scannewin, Ende, Grischok (56. Zieba), Kratz (46. Kurdov / 64. Marquet), Schauerte, Sukuta-Pasu, Selmani. – Wormatia Worms: Müller, Süß (46. Jones), Roesner, Lang, Pfeffer, Hertlein, Probst, Bopp, Vorschneider (80. Gebhardt) Wooten (86. Sahin), Bolm. – Schiedsrichter: Hussein (Bad Harzburg). – Zuschauer: 300. – Tore: 0:1 Bolm (10.), 0:2 Bolm (55.), 0:3 Bolm (65.).