Kicker Sportmagazin: Wormser Woche

07.11.1933

Mit der Wormatia ist auf eigenem Platz schlecht Kirschen essen. Wenn sie am Sonntag zuvor verloren hat, dann schon gar nicht und wenn sie, wie es diesmal der Fall war, eine 0:6-Niederlage sieben Tage lang mit sich herumschleppte, dann ist selbst der relative Tabellenführer des Gau 13 vor eine kaum lösbare Aufgabe gestellt. Man hatte einen Großkampf erwartet. Ein wechselvolles Widerspiel von Technik und Kampfgeist. Man glaubte daran, daß Eintracht wieder ein feines und raffiniertes Netz um die Wormser Hintermannschaft weben würde und daß der Wormser Sturm dafür überraschende Attacken reiten würde. Es war nichts mit der Reiterei und mit dem Weben war auch nicht viel los. Die Wahrheit ist einfach die, daß es in beiden Mannschaften keine hundertprozentigen Stürmer mehr gibt. Die Torwächter hüben und drüben führten das Dasein von Pensionären. Sie gingen ab und zu vor die Haustür, um nachzusehen, wie das Wetter draußen sei. Es war meist windstill; kein Sturm in Sicht. 3000 Zuschauer warteten und warteten auf den Augenblick, in dem der Kampf Feuer und Farbe bekommen sollte. Sie warteten für die Katz. Es war ein Fußballspiel für höhere Töchter. Erst ganz gegen Schluß gab es einige kleine Ruppigkeiten, statt des Tempos, das man erwartet hatte. Wir haben eine andere Eintracht im Gedächtnis. Wir denken an die Schüsse eines Schaller, die Vorstöße eines Ehmer, die Ideen eines Kellerhof. Das Trikot blieb, der Spiritus verschwand. Diese fünf Männer in Schwarzrot hatten nur einen echten Stürmersmann unter sich. Den draufgängerischen, flotten und flankenflinken Trumpler. Und wenn nicht Behning zwei Schüßlein von halbwegs anständiger Herkunft aufs Tor gejagt hatte, dann wäre schon gar nichts los gewesen mit den übrigen vieren. Ich halte im Augenblick die pfälzischen Mannschaften für stärker, als die Frankfurter; für stärker, als Eintracht auf alle Fälle. Selbst die Läuferreihe Gramlich-Leis-Mantel, vor der man auf dem Papier schon einen Schrecken bekommen kann, erwies sich als halb so gefährlich. Leis war der wackerste Draufgänger, aber seine Nebenleute brachten dieses Feuer nicht auf. Tiefel in der Verteidigung machte Schnitzer genug, Stubb bemühte sich nach Kräften, sie zu reparieren, immer war das nicht möglich. Koch im Tor ohne Fehl. Es pfiff der Schiedsrichter Bremser-Wiesbaden. Nicht fehlerlos. Die stärksten Reklamationen mußte er beim Torpfiff über sich ergehen lassen. Das war 12 Minuten nach der Pause. Im Anschluß an einen Niederwurf nahe der Strafraumgrenze gab es ein Gewühl. Im Anschluß an das Gewühl schoß Ludwig Müller wie eine Haubitze an die Latte. Nein, unter die Latte! Der Ball sprang jedenfalls zur Erde und weg war er. Der Schiedsrichter trillerte Tor. Sicher hatte er gesehen, wie der Ball die Linie überschritten hatte, sonst hätte er nicht gepfiffen. Die Eintrachtreklamationen halfen also nichts. Wormatia hat eigentlich die beiden Punkte schon deshalb verdient, weil sie, mit geringerem technischen Rüstzeug, stärker angriff, sich mannhafter einsetzte, opferwilliger kämpfte und immer aufs Tempo drückte, soweit man bei diesem mäßigen Spiel von Tempo reden konnte. Kühn im Tor konnte nun auch den Wormsern zeigen, wieviel er von seinem Fach versteht. Closet und Pfeil stürzten sich in jegliches Getümmel und hatten keine allzu einfallreichen Kombinationen zu zerstören. Die Läuferreihe der Wormser? Jeder schlug sich „als ein Soldat und brav". Im Sturm artistelte Fath famose Vorlagen heraus und fand nur zu wenig Verständnis dafür. Beim Innentrio gab es allzuviel Steifheit und Schwerfälligkeit. Zimmermann hatte helle Augenblicke und dunkle. Vor dem Tor ist er hilflos. Knappe 3000 Zuschauer sind ein wenig dünn für ein so bedeutungsvolles Spiel.      Richard Kirn.