Nibelungen Kurier: Der angefressene Sieger
01.09.2019Fußball Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar: VfR Wormatia Worms macht sich das Leben beim 2:1-Heimsieg über Hassia Bingen selbst schwer
VON JÜRGEN JAAP | Kristjan Glibo war verschnupft. Das lag allerdings nicht etwa daran, dass sich der Trainer des Fußball-Oberligisten VfR Wormatia Worms eine Sommergrippe eingefangen hätte. Es war vielmehr die Art und Weise, wie seine junge Mannschaft im vierten Heimspiel der Saison 2019/2020 in der EWR-Arena einen sicher geglaubten Erfolg beinahe noch aus der Hand gegeben hätte. „Wisst ihr eigentlich, wie viele glasklare Chancen wir versiebt haben“, rief der 37-Jährige kurz nach dem Abpfiff seinen Kickern, die er im Mittelkreis des Rasenplatzes versammelt hatte, den Spielfilm der Partie gegen BFV Hassia Bingen in Erinnerung. Und: „Das war einfach nur fahrlässig.“ Das Gesicht von Kristjan Glibo wirkte bei diesen Worten so, als habe er gerade in eine saure Zitrone gebissen. 2:1 (2:0) hat der VfR Wormatia Worms gegen BFV Hassia Bingen gewonnen. Es war der dritte Sieg der Glibo-Elf in Serie. Für eine Nacht haben die jungen Wormser Kicker Freitagabend gar kurz die Tabellenführung der Oberliga Rheinland-Pfalz / Saar übernommen. Dennoch blieb reichlich Platz für Manöverkritik.
Chancen, Chancen und noch mehr Chancen
Wieder einmal legte Wormatia im Rheinhessenderby gegen Bingen wie in den meisten der sechs Saisonspiele zuvor los, als gäbe es kein Morgen. Bereits der erste Torschuss saß. VfR-Kapitän Eric Lickert eroberte im Mittelfeld den Ball, passte auf Jan-Philipp Schünke, der links oben einnetzt und damit seinen ersten Pflichtspiel-Treffer für den VfR erzielt (5.). Auch der zweite vielversprechende Angriff der Wormaten führte zum Erfolg. Scheinbar mühelos nahm Wormatia-Goalgetter Jan Dahlke eine Schünke-Vorlage auf und versenkt das Leder zu seinem siebten Saisontreffer rechts unten zum 2:0 (14.). „Man kann von Glück reden, dass wir nach der ersten Hälfte nicht viel höher hinten liegen“, räumte Hassia-Coach Dimitri Mayer offen ein. Chancen über Chancen boten sich den Wormaten gegen die lange total überfordert wirkende Binger Abwehr. Schünke (17.), Dahlke (21.), Filimon Gerezgiher nach schöner Vorarbeit von Geovane Oliveira Damaceno (27.) und Lennart Grimmer (33.) ließen Hochkaräter am laufenden Band aus.
Nach einer Stunde wendet sich das Blatt
Fahrlässig verschleuderte das von Eric Lickert prima dirigierte Team Gelegenheiten, einen Kantersieg zu realisieren. In der Pause hauchte Dimitri Mayer seiner Elf offenbar mehr Selbstvertrauen ein. Zwar hatte Wormatia durch einen Konter über Dahlke und Lickert (52.), sowie einen Dahlke-Schuss (57.) weitere Einschussmöglichkeiten, doch auch die Gäste sendeten ein erstes Lebenszeichen als Ex-Wormate Alper Akcam nur knapp an einem Schuss von Yannik Wex vorbei rutschte (49.). „Wir haben klar dominiert, mussten das 3:0 erzielen. Das, was dann folgte, haben wir uns selbst zuzuschreiben“, bewertete VfR-Mittelfeld-Spieler Perric Afari jene Szenen, die die Partie kippen ließen. Erst vertändelten Oliveira Damaceno und Dahlke eine 4:1-Überzahl kläglich (59.). Im Gegenzug konnte Ilias Tzimanis den anstürmenden Alper Akcam nur durch eine Notbremse stoppen. Logische Konsequenz: Rot für den VfR-Innenverteidiger (60.). Nach den verletzten Tevin Ihrig, Fatih Köksal und Luca Graciotti fehlt Kristjan Glibo damit vorerst eine weitere wichtige Stütze im Kader.
VfR rettet Dreier dank solider Defensivarbeit
Und Wormatia fehlte im letzten Drittel des Matches der Zug nach vorne. Bingen übernahm in Überzahl die Regie und drängte Wormatia mit Ballbesitz-Fußball in die Defensive. Dass die Wormaten nach einer ersten Hälfte, in der ein Klassenunterschied erkennbar war, derart in Not geraten würden, schien eigentlich undenkbar. Positiv für die sehr gut von Andrej Ogorodnik zusammen gehaltene VfR-Viererkette: Hassia Bingen machte aus seinem Belagerungszustand ziemlich wenig. Erst kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit fiel der inzwischen durchaus verdiente Anschlusstreffer, als der ehemalige Wormate Fabian Liesenfeld eine Flanke von rechts mit dem Kopf einnickte (89.). Die Nachspielzeit überstand die Glibo-Truppe ohne weiteren Flurschaden. Der dritte Dreier in Serie war eingetütet, aber es war ein süß-saurer Sieg ob der Fahrlässigkeit in der Verwertung der sich bietenden Chancen der erkennbar noch so unerfahrenen Oberliga-Mannschaft des VfR Wormatia Worms.