Frankfurter Neue Presse: Oberligen im Clinch mit der Regionalliga Südwest

12.04.2021

Der Fußball wird sowohl in der Hessenliga als auch in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar aufgrund der Corona-Pandemie in der aktuellen Runde nicht mehr rollen. Der Spielbetrieb in beiden Ligen ist abgebrochen. Doch die Saison könnte vor allen Dingen für die Spitzenteams noch in die Verlängerung gehen – nämlich in den (Sport-)Gerichtssälen der Republik. Denn die Aufstiegsfrage zur Regionalliga Südwest droht zu eskalieren.

Die Lunte maßgeblich mitgezündet hat Rafael Kowollik, seines Zeichens Geschäftsführer des Regionalligisten FC Homburg und Ligasprecher der Regionalliga Südwest in Personalunion. Der 43-Jährige hat im Namen eines Großteils der Vereine zuletzt einen offenen Brief verschickt. Adressaten: die Regionalliga Südwest GbR sowie die drei Trägerverbände der Hessenliga, der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar und der Oberliga Baden-Württemberg.

Konkret geht es in dem Schreiben unter anderem um die Abstiegsregelung in der Regionalliga und die gleichzeitig beabsichtigten Aufstiegsbestrebungen der drei Oberligen.

„Es stößt auf breites Unverständnis, dass am Ende einer Mammutsaison mit 42 Ligaspielen im Juni 2021 sechs Vereine direkt aus der Regionalliga Südwest absteigen müssen, während drei oder gar vier Vereine aus den darunterliegenden drei Oberligen, beziehungsweise deren Teilstaffeln, auf Basis einer Rumpfsaison mit nur zwei Monaten Spielbetrieb (Ende August bis Ende Oktober 2020) mit nur acht, maximal 13 Spielen Aufsteiger benennen und eventuell gar am ,grünen Tisch’ aufsteigen!“, prangert Kowollik in seinem Schreiben an.

Zum Teil nur acht Spiele ausgetragen

So hat beispielsweise Eintracht Trier, Gegner der Eisbachtaler Sportfreunde in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar und Quotienten-Erster der beiden dortigen Staffeln, nur achtmal gespielt. Trotzdem will der zuständige Fußball-Regional-Verband (FRV) Südwest die Moselstädter als Aufsteiger für die Regionalliga melden und Wormatia Worms als Zweitplatzierten als Relegationsteilnehmer. Und auch in Hessen (1. SG Barockstadt Fulda/Lehnerz, 2. Hessen Dreieich – beides Mitstreiter des SV Rot-Weiß Hadamar und des TuS Dietkirchen) sowie Baden-Württemberg (1. SGV Freiberg, 2. Stuttgarter Kickers) gibt es erste Überlegungen für ein ähnliches Vorgehen, auch wenn die zuständigen Verbände klare Stellungnahmen hierzu vermeiden.

Für die Mehrheit der Regionalligisten wäre ein solcher Aufstieg ganz einfach ein Unding. Von „Ungerechtigkeit“ und „Systemfehler“ ist in dem offenen Brief die Rede. „Für alle Amateurspielklassen – von der Verbandsliga bis zur C-Klasse – gibt es mangels Wertung weder Absteiger noch Aufsteiger. Warum werden ausgerechnet für die jeweiligen Oberligen und Regionalligen fragwürdige Ausnahmen gemacht?“, fragt Regionalliga-Sprecher Rafael Kowollik.

Durch das Vorpreschen des FRV Südwest sehen sich nach Ansicht der Regionalliga-Clubs nunmehr auch der Hessische Fußball-Verband (HFV) und die drei Verbände hinter der Oberliga Baden-Württemberg unter Zugzwang, um ebenfalls Aufsteiger stellen zu wollen. „Die anderen Oberliga-Träger ziehen in bestmöglicher Dehnung ihrer Satzungen nach, um ihre Rechte zu wahren“, sagt Kowollik, um unter anderem zu ergänzen: „Es erweckt den Anschein, dass hier funktionärsbetriebene Sportpolitik regiert, nicht der Fußball mit seinen propagierten Werten (unter anderem Leistungsgedanke, Fairness, Respekt).“

In der Regionalliga Südwest haben bereits unter anderem die stark abstiegsbedrohten FK Pirmasens und Eintracht Stadtallendorf rechtliche Schritte angedroht, sollten aus der Oberliga Mannschaften aufsteigen. Doch auch in der fünften Liga beginnt das verbale, justiziarische Säbelrasseln: Die Stuttgarter Kickers, der SGV Freiberg und Wormatia Worms haben öffentlich erklärt, sich notfalls anwaltlich vertreten zu lassen in puncto Aufstiegsfrage. Von den Vertretern der Hessenliga sowie von Eintracht Trier hört man unterdessen noch nichts. Die Saison 2020/21 scheint allerdings nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie eine geschichtsträchtige zu werden. Auch für Anwälte könnte sich der Streit der Fußballvereine finanziell am Ende richtig lohnen. ANDREAS EGENOLF

Das sagen die Oberliga-Trainer aus dem NNP-Land

Stefan Kühne (SV Rot-Weiß Hadamar): „Es ist schwierig, hier eine Meinung abzugeben. Ich kann die Regionalligisten verstehen, kann aber auch Barockstadt Fulda-Lehnerz und Dreieich verstehen. Ich kann nicht sagen, wie wir reagieren würden, wenn wir oben stünden. In einer Saison steckt so viel Arbeit. Vielleicht hat man einen Sponsor gefunden, der helfen wollte, den Traum vom Aufstieg zu erfüllen. Ich finde hier keine Lösung.“

Thorsten Wörsdörfer (TuS Dietkirchen): „Mit der Gerechtigkeit ist es in der Pandemie so eine Sache. Es gibt sicher für beide Seiten gute Argumente. Klar, die Regionalliga hat voll durchgezogen, viele Vereine haben ein erhebliches Minus gemacht ohne Zuschauer. Ob ein ,Meister’ mit wenigen Spielen aufsteigen sollte, ist die Frage. Für die Oberliga, die der Puffer zwischen Profis und Amateuren ist, gilt dasselbe wie für mich daheim: Sie ist das, was zwischen Hammer und Amboss kommt. Die Verbände müssen eine Lösung finden.“

Marco Reifenscheidt (Eisbachtaler Sportfreunde): „Ich würde es Eintracht Trier und meinem Trainerkollegen Josef Cinar zwar gönnen, die Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar in Richtung Regionalliga Südwest zu verlassen. Andererseits kann ich verstehen, wann man es für ungerecht empfindet, denn die Situation ist nun mal so: Nach acht Spielen sollte man eigentlich keinen Anspruch auf einen Aufstieg haben. Die Regionalliga Südwest hat sich die aktuelle Situation allerdings selbst zuzuschreiben, da diverse Interessensvertreter die Vereine zum Spielen genötigt hatten.“