Wormser Zeitung: Wie Wormatia zum Oberliga-Meister reifte – eine Chronologie
10.06.2022Drei Jahre lang brauchten die Wormser für die Rückkehr in die Fußball-Regionalliga. Deutlich wird im Rückblick, welch herausragende Arbeit Trainer Kristjan Glibo leistete.
Mit drei Jahren Anlaufzeit hat Wormatia Worms den Sprung zurück in die Regionalliga geschafft. Eine Chronologie der Meilensteine und möglichen Wendepunkte.
2019/20, Saison eins nach dem Oberliga-Abstieg: 20, 21, 23, lautet das Alter der Spieler, die in Saison eins nach dem Abstieg am häufigsten auflaufen. Aus U23-Teams geholte Neuzugänge wie Jan Dahlke oder Lennart Grimmer sowie Eigengewächse wie Simon Joachims bringen frischen Wind und Stallgeruch, zeigen auch dem frustrierten Umfeld Perspektiven auf. "Wir waren gar nicht in der Situation, erfahrene Regionalligaspieler zu holen", blickt Trainer Kristjan Glibo auf den Etat. Neue Zeiten.
2020/21 – wichtige und starke Eckpfeiler stoßen zum Kader: Den Corona-Abbruch 2020 erlebt Wormatia auf Rang sieben. Bei allem Potenzial, es musste etwas passieren. Die Stammelf der Saison 2020/21 könnte auch die aktuelle sein, von Knipser Dahlke abgesehen. Glibo hat die Talente, die er wie ein Trüffelschwein über seine Netzwerke entdeckt hat, schnell entwickelt. Doch es brauchte Säulen wie Ricco Cymer im Tor, Jean M'voto und Tevin Ihrig, Sandro Loechelt und Jannik Marx für ein Gebilde, das die Liga dominiert. "Wenn du nur nach der Vita gehst, schießt du viele Eigentore", sagt der Coach. Maximale Qualität pro Euro lautete die Devise.
2020/21 – Meisterliches Spiel, aber zwei schwere Rückschläge: Wormatia spielt wie ein Meister, doch die Entscheidungen fallen am grünen Tisch. Pokal-Aus nach verweigerter Anreise nach Gonsenheim, der entgangene Aufstieg aufgrund des zu frühen Saison-Abbruchs – Momente der Enttäuschung, die zusammenschweißen, Jetzt-erst-recht-Mentalität bewirken können. "Wir waren ein eingeschworenes Team, da möchte ich mich bei jedem einzelnen Spieler herzlich bedanken", sagt Glibo und betont auch die "wahnsinnige" Unterstützung durch die Fans, in ausnahmslos jeder Partie.
2021/22 – Hauptrunde: Etat geschrumpft, Fehlstart und eine unglaubliche Erfolgsserie: Doch das Budget wurde nach Corona schmaler. Üppig im Ligavergleich, kleiner als Trier. Scouting im Lockdown? Glibo steht beim Geisterspiel am Zaun, um Daniel Kasper zu begutachten. Jeder Schuss muss sitzen. Die erste Elf ist bärenstark, mit jedem Ausfall wird es kniffliger. Der Aufstieg wird dringend, Trainingssteuerung zur Königsdisziplin. Viel Druck für eine in weiten Teilen junge Mannschaft. Auf den 0:1-Fehlstart reagiert Wormatia mit einer Serie von 28 von 30 möglichen Punkten, am ersten Rückrunden-Spieltag wird die Auftaktpleite mit einem 2:1 beim Topspiel in Wiesbach ausgebügelt.
Doch in der Parallelstaffel gibt sich Eintracht Trier ebenfalls kaum eine Blöße, dominiert genauso. Ein Fernduell auf Augenhöhe, obwohl beide Teams die Verfolger in ihren Staffeln mit dem Fernglas suchen müssen.
2021/22 – Pokal-Aus und Innenverteidiger-Misere: Wie wirkt sich der erste, richtige Rückschlag aus? Im Achtelfinale fliegt Wormatia aus dem Pokal, nach frühem Doppelpack von Noel Eichinger. Murphys Gesetz greift. Der erste Innenverteidiger fällt aus, Nummer zwei und drei stoßen mit den Köpfen aneinander und müssen runter, Nummer vier schießt ein Eigentor. 2:3, und nun? "Wenn du ein Spiel zum Maßstab nimmst, dann hör auf als Trainer", sagt Glibo. Mund abputzen. Bis Jahresende geht kein Spiel mehr verloren.
2021/22 – Glibo-Wechsel in spe und Winterschwäche: Winterpause, Wiederbeginn. Vier Partien, nur ein Sieg zum Ausklang der Meisterrunde. Und Glibos Abgang zum Saisonende. Die Entscheidung steht, bevor das neue Engagement bei Eintracht Frankfurt II zum Thema wird, wie der 40-Jährige versichert. Mehr sagt er auch heute nicht. Die leichte Schwächephase? Im Winter sind die Plätze schlechter und spielerische Dominanz schwieriger zu erzielen. Das Vertrauensverhältnis zu den Spielern beschreibt er als innig, es gebe ein gemeinsames Ziel. Ob es Bedarf gab, sich neu einzuschwören? I wo!
2021/22 – Start der Meisterrunde und ein befreiendes 1:1 gegen Trier: Wormatia müht sich in Form, ein Remis wird zum Brustlöser. 1:1 in langer Unterzahl gegen Trier, "eine perfekte Defensivleistung, ein gefühlter Sieg". 21 Tore in fünf Spielen folgen. 123 Tore, 24 Gegentreffer, 103 Punkte in 43 Partien, Auswärtsrekord – die Zahlen sprudeln auch im Kroatien-Urlaub aus Glibo heraus. Zahlen der Dominanz in seinem zweiten und dritten Jahr. "Wir haben Angriffsfußball zelebriert", betont er. Wie sollte man sich da beirren lassen?
2021/22 – Dämpfer im Spitzenspiel, aber trotzdem Meister: 21. Mai, Minute 94 und 95, die Nagelprobe. Trier dreht das Topspiel spät. "Anders als für Bayern 1999, können wir das noch revidieren", impfte Glibo den Seinen ein, "hängende Köpfe kann ich nicht akzeptieren." Sein Team blieb unbeirrt. 4:0, 3:0, Meisterfeier.
2021/22 – Nachspielzeit und das Happy-end: Zittern. Macht das Verbandsgericht einen Strich durch die Rechnung? Dienstagabend ist klar, die Klage dreier Klubs, darunter Trier, ist abgewiesen, die Meisterschaft sportrichterlich bestätigt. "Es freut mich zu sehen, dass ich hier etwas aufbauen konnte", sagt Glibo abschließend, "die vielen besonderen Momente werde ich nicht vergessen. Wir haben gemeinsam Geschichte geschrieben."